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Das Label von Nutri-Score erinnert ein wenig an die Optik der EU-weiten Kennzeichnung der Energieeffizienzklasse. Vielleicht funktioniert es genau deshalb so gut. Denn in einer französischen Studie – Frankreich hat das Label im Oktober 2017 eingeführt – soll gerade Nutri-Score bei den Verbrauchern nicht nur gut ankommen, sondern auch das ernährungsbedingte Sterberisiko verringern.

Nutri-Score ordnet Lebensmittel – im Vergleich mit dem britischen Ampelsystem ‒ zusätzlich nach ihren Nährwerten ein. So erhalten günstige und ungünstige Nährwertbestandteile jeweils eine bestimmte Anzahl von Punkten, die dann miteinander verrechnet werden. Anhand einer Skala von A bis E erkennt der Verbraucher, wie gesund oder ungesund ein Produkt ist. Ein ausgewogenes Produkt erhält die Kategorie A und eine grüne Farbkennzeichnung. Ein unausgewogenes hingegen erhält den Buchstaben E und eine rote Kennzeichnung.

Deutschland und die Niederlanden haben noch kein Label

Dass diese Kennzeichnung auch bei den Deutschen Verbrauchern gut ankommt, belegt eine kürzlich veröffentlichte, gemeinsam von Verbraucher- und Medizinverbänden durchgeführte Forsa-Umfrage. Hierbei verglich das Forschungsinstitut das fünfstufige Nutri-Score-Label mit dem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Auftrag gegebenen Wabenlabel des deutschen Max-Rubner-Instituts (MRI). Dabei muss man wissen, dass bislang weder in Deutschland noch in unserem Nachbarland, den Niederlanden, eine verbraucherfreundliche Lebensmittelkennzeichnung existiert.

©Max-Rubner-Institut (MRI)

Das Ergebnis der Forsa-Studie in Deutschland: Insgesamt 69 Prozent der Befragten bevorzugten den Nutri-Score, während sich nur 25 Prozent für das Waben-Sterne-Label aussprachen. Den meisten Befragten erschien letzteres eher zu kompliziert und verwirrend. Übrigens wird das BMEL im September  – inklusive des BLL- sowie des Keyhole-Modells – ebenfalls noch eine Studie zum Vergleich von Lebensmittellabels veröffentlichen.

Zwar gibt es auch einige Kritikpunkte am französischen Label, wie beispielsweise die fehlende Berücksichtigung einer Gesamtbewertung des Produktes wie sie beim MRI gegeben ist, doch betrachtet man das Ergebnis der französischen Wissenschaftler, wird klar, dass in Deutschland wie den Niederlanden statt langwieriger Forschung akuter Handlungsbedarf zur Einführung eines klaren Labels ist.

3 Studien: Einkaufsverhalten, Ernährung & Gesundheit

Die aktuelle Studie zu Nutri-Score wurde von Universitäten in Paris, Grenoble und Borbigny durchgeführt. Die Forscher nutzten Daten einer vorherigen Studie. Hier wurde in einem Experiment eine Verbesserung des Einkaufsverhaltens gemessen, wenn alle Produkte mit dem Nutri-Score – oder mit einem von vier in dieser Studie verwendeten, weiteren Nährwertlabels – gekennzeichnet waren.

Anschließend zogen die Forschenden die Daten zum Ernährungsverhalten der französischen Gesamtbevölkerung hinzu. Auf dieser Basis berechneten sie, wie sich Kalorienaufnahme und Nährwertzusammensetzung durch die Labels verändern würden. Und zwar unter der Annahme, dass die eingekauften Lebensmittel auch so gegessen werden. Demnach würde der Nutri-Score die Gesamtkalorienaufnahme pro Person um durchschnittlich 9 Prozent senken. Die Menschen würden also im Schnitt rund 180 Kilokalorien weniger pro Tag essen. Auch die Zusammensetzung der Nahrung wäre gesünder, da mehr Obst (plus 12,4 %), Gemüse (plus 5,4 %) und Ballaststoffe (plus 7,2 %) und weniger gesättigte Fettsäuren (minus 29,9 %) und Salz (minus 4,1%) verzehrt werden.
Im letzten Schritt berechneten die Forscher, wie sich diese verbesserte Ernährung auf die Gesundheit auswirken würde. Sie speisten dazu zusätzlich Daten über die statistischen Zusammenhänge zwischen der Art der Ernährung und der Häufigkeit von Folgeerkrankungen und Sterbefällen in ein Rechenmodell. So konnten sie berechnen, wie viele Sterbefälle das jeweilige Label über die verbesserte Ernährung verhindern würde.

Nutri-Score mittlerweile in Belgien, Spanien und der Schweiz eingeführt

Ergebnis: Von allen fünf Labels würde der Nutri-Score die meisten Todesfälle durch ernährungsbedingte Krankheiten verhindern. Binnen einem Jahr würden 7680 Personen weniger versterben, das entspricht einem Minus von 3,4 %. Bei den anderen Labels wären es weniger. Das französische Label wurde mittlerweile in Belgien, Spanien und der Schweiz eingeführt. Genau dieses würde sich Barbara Bitzer, Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten DANK, auch für Deutschland wünschen:

„Diese neuen Forschungsergebnisse machen deutlich, dass es bei der Lebensmittelkennzeichnung letztlich um Menschenleben geht“, und sie setzt hinterher: „Erneut zeigt sich der Nutri-Score den anderen Systemen überlegen. Es führt daher kein Weg mehr daran vorbei, ihn in Deutschland einzuführen.“

Auch wenn die Ergebnisse aus Frankreich nicht zwangsläufig 1:1 auf andere Länder übertragbar sind, so zeigen sie doch, dass der Nutri-Score die Auswahl gesünderer Lebensmittel im Vergleich zu anderen Labels am besten fördert und darüber letztendlich zahlreiche Todesfälle vermeiden kann. Demnach gibt es laut Bitzer kein echtes Argument mehr gegen die französische Lebensmittelampel. Deshalb fordert sie gemeinsam mit ihren Kollegen der anderen Verbraucher- und Medizinverbände, dass die deutsche Ernährungsministerin die französische Studie zur Kenntnis nimmt und den Nutri-Score in Deutschland einführt. Auch in den Niederlanden werden die Stimmen, die sich für die Einführung des Labels stark machen, immer lauter, wie in dem holländischen Foodmagazine nachzulesen ist.