European girl in her car multi-tasking, using her laptop while talking on phone.
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Kaum einer von uns kann heute mehr ohne digitale Medien arbeiten. Immerhin bieten Smartphones, Laptops & Co die Möglichkeit, flexibel auf ein großes Volumen an Informationen zurückgreifen zu können. Und natürlich auch zeitnah zu agieren. Doch genau da liegt die Krux an der Sache: Denn laut der Studie „Gesund digital arbeiten?!“ des Projekts Prävention für sicheres und gesundes Arbeiten mit digitalen Technologien (PräDiTec) empfindet jeder fünfte Arbeitnehmer starken digitalen Stress durch seinen Beruf. Für ihre Untersuchung befragte ein Konsortium aus Wissenschaftlern des Zweiges Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT, des Betriebswirtschaftlichen Forschungszentrums für Fragen der mittelständischen Wirtschaft (BF/M-Bayreuth) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin über 5000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Dabei identifizierten die Forschenden insgesamt zwölf verschiedene Belastungsfaktoren: Dazu gehören beispielsweise der gefühlte Zwang zur Omnipräsenz, das Gefühl der ständigen Erreichbarkeit und eine erwartete kürzere Reaktionszeit durch das Auflösen der Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben. Interessant daran ist nicht nur, dass jeder dritte Befragte mindestens einem der Belastungsfaktoren stark bis sehr stark ausgesetzt ist, sondern auch, dass fast jeder Fünfte aufgrund eines Belastungsfaktors sehr starken digitalen Stress wahrnimmt. Als stressig werden auch Unterbrechungen und Ablenkung durch digitale Medien empfunden. Außerdem fühlen sich viele Menschen mittlerweile als „gläserne Person“, weil sie ihre Privatsphäre durch die berufliche Nutzung digitaler Technologien und Medien in Gefahr sehen.

Folgen auch für Arbeitgeber

„Das bleibt nicht ohne Folgen auch für den Arbeitgeber“, warnt Prof. Dr. Torsten Kühlmann, Inhaber des Lehrstuhls für Personalwesen und Führungslehre an der Universität Bayreuth und Präsident des Betriebswirtschaftlichen Forschungszentrums für Fragen der mittelständischen Wirtschaft (BF/M-Bayreuth):

„Erwerbstätige mit starkem digitalem Stress berichten häufiger, dass sie Probleme haben, von der Arbeit abzuschalten. Sie denken öfter daran, die Arbeitsstelle oder den Beruf zu wechseln und zeigen eine schlechtere Leistung. Sie sind außerdem unzufriedener mit ihrer Arbeitsstelle.“

Zudem stellten die Wissenschaftler fest: Digitaler Stress geht meist mit sozialen Konflikten am Arbeitsplatz, einer hohen emotionalen Anforderung sowie einer hohen Arbeitsquantität einher. Die Folgen sind Erschöpfung, Gereiztheit sowie psychischen Beeinträchtigungen bis hin zu Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems.

„Interessanterweise sind vor allem auch Erwerbstätige in innovativen Unternehmen, welche sich durch Kreativität und Risikobereitschaft auszeichnen, von stärkerem digitalem Stress betroffen“, stellt Kühlmann fest.

„Die schnell voranschreitende Durchdringung des Arbeitslebens mit digitalen Technologien und Medien bringt viele Chancen, aber auch substanzielle Risiken und Nachteile mit sich“, fasst Prof. Dr. Nils Urbach, Professor für Wirtschaftsinformatik und Strategisches IT-Management und Mitglied der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik am Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, zusammen.

Abhilfe durch Änderung in Organisation und Sozialem

Doch nicht jeder Arbeitsplatz, der mit digitalen Technologien ausgestattet ist, verursacht digitalen Stress im gleichen Maß. Die Kombination aus der Anzahl genutzter digitaler Technologien und Medien sowie die Nutzungsintensität hat Einfluss auf die Belastung. So ist diese bei einer hohen Anzahl an verschiedenen Technologien, die nur wenig genutzt werden, am höchsten. Denn hier sind die Fähigkeiten und Kenntnisse zur Nutzung der Technologien aufgrund der geringen Nutzung schwieriger zu erhalten. Die Verunsicherung wird größer.

Doch es gibt auch Abhilfe:

„Organisationale und soziale Faktoren können digitalem Stress am Arbeitsplatz entgegenwirken. Dazu gehört beispielsweise ein erweiterter Handlungsspielraum hinsichtlich arbeitsrelevanter Entscheidungen sowie eine gute Beziehung zu Vorgesetzten“, betont Urbach.

Das Projektteam des BFM ist derzeit dabei, anhand der gewonnenen Erkenntnisse Handlungsempfehlungen ausarbeiten. Ende 2020 sollen konkretere Präventionsmaßnahmen, wie dem Phänomen des digitalen Stresses entgegenwirkt werden kann, vorgestellt werden.

Der Zwischenbericht unter dem Namen „TechnoStressReport“ wird am 4. September 2019 ab 16 Uhr in einem Livestream vorgestellt und auch diskutiert. Teilnehmer der Diskussion sind u.a. Prof. Dr. Henner Gimpel von Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT und Guido Fuhrmann, Personalleiter Deutschland bei der Deutschen Bank. Der Livestream richtet sich an Fach- und Führungskräfte der modernen Arbeitswelt. Weitere Informationen gibt es auch hier.