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Es ist vor allem der Anstieg des Meeresspiegels, der für die steigende Hochwassergefahr an Europas Küsten verantwortlich ist. Allerdings steigt die Gefahr zusätzlich, wenn Sturmfluten gemeinsam mit Starkniederschlägen auftreten. So der Befund eines internationalen Forschungsprojekts, das die Gleichzeitigkeit der Naturereignisse unter dem Aspekt des Klimawandels betrachtete.

Bisher waren die Phänomene in Risikoabschätzungen unabhängig voneinander betrachtet worden. Laut Studienleiter Douglas Maraun werde die Gefahr des gleichzeitigen Auftretens jedoch unterschätzt. Oft werden Sturmfluten und Starkniederschläge durch die gleiche Wetterlage ausgelöst. Maraun forscht am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Universität Graz. Sein Interesse gilt dem menschengemachten Klimawandel und dabei insbesondere den Extremniederschlägen.

Wenn Starkniederschlag und Sturmflut zusammenwirken, …

… können die daraus resultierenden Auswirkungen stärker sein, als bei einzelnem Auftreten. Die Auswirkungen sind von mehreren Mechanismen bestimmt. Meist ist es das abfließende Regenwasser, das an der Küste – und vor allem in Flussmündungen – von der Sturmflut aufgestaut wird. Ein anderer Mechanismus sind Niederschläge auf Böden, die durch eine vorangehende Sturmflut gesättigt sind.

Hochwassergefahr (c) Universität GrazFoto: (c) Universität Graz

Das gleichzeitige Auftreten von Sturmflut und Starkregen ist kein Phänomen der Zukunft. Es gibt bereits zahlreiche Beispiele. Eines der prominentesten ist das drohende Hochwasser des Wasserverbandes Norderzijlves in den Niederlanden, das 2012 zu einer vorsorglichen Evakuierung führte. 2014 sah Ravenna eine große Flut und 2015 Bristol.

Erhöhtes Risiko durch Klimawandel

Das internationale Forschungsteam um Maraun wollte herausfinden, ob sich die Gefahr von Hochwasser durch Starkniederschläge und Sturmfluten im Klimawandel verändert. Die Abschätzung des Risikos ist für politische Regelungen und die Katastrophenvorsorge in gefährdeten Küstenregionen wichtig. Eine klassische Maßnahme ist der Bau von Deichen. Maraun könnte sich aber auch nachhaltigere Lösungen vorstellen. Zitat: „In manchen Regionen könnte man durch weniger Versiegelung und mehr natürliche Vegetation auch verhindern, dass das Regenwasser schnell abfließt.“

Die Projektpartner vom Joint Research Center der Europäischen Kommission in Ispra/Italien lieferten die Datenbasis. Sie berechneten mit einem mathematischen Modell der Meeresoberfläche Klimamodellsimulationen, die das Auftreten von zukünftigen Sturmfluten zeigten – indem sie ein Sturmfluten- und ein Wellenmodell antrieben.

Die Ergebnisse analysierte das Team um Maraun gemeinsam mit Simulationen des Niederschlags in einem komplexen statistischen Modell. Auf diese Art wurden die europäischen Küstenregionen identifiziert, die im Zuge der Klimaerwärmung mit dem gleichzeitigen Auftreten von Sturmflut und Starkniederschlag konfrontiert sein könnten.

Verschieben der Problemzonen

Dabei zeigte sich, „dass die Niederschläge in Nordeuropa intensiver werden, so dass die Gefahr von gleichzeitig auftretenden Starkniederschlägen und Sturmfluten tendenziell steigen könnte“, berichtet Maraun. Im Bereich von Flussmündungen sollte verstärkt mit Hochwasser gerechnet werden. In Südeuropa dürfte die Zahl der Sturmfluten hingegen abnehmen, „wodurch die Gefahr gleichzeitiger Extremniederschläge insgesamt eher sinken sollte“, so der Klimaforscher. Den Grund für diesen Anstieg erklärt der Forscher wie folgt:

„In Südeuropa sinkt die Sturmflutgefahr, das ist konsistent mit unserem Wissen, dass es dort in Zukunft weniger Stürme geben wird. In Nordeuropa werden die Niederschläge heftiger, vor allem, weil bei höheren Temperaturen mehr Feuchte in der Luft ist – und sich die Stürme tendenziell nach Norden verschieben.“ Douglas Maraun

Eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit einer Zunahme von gleichzeitig auftretenden Sturmfluten und Starkniederschlägen im Zuge der globalen Erwärmung zeigte sich insbesondere

  • an den Westküsten von Großbritannien und Nordfrankreich;
  • an der Ost- und Südküste der Nordsee;
  • an der östlichen Hälfte des Schwarzen Meeres (siehe Abbildung 3A).

 

Hochwasser, Sturmflut, Starkniederschlag
(c) Universität Graz

Steigerung der Wiederkehrperiode

Der Anteil der Küsten, die eine Wiederkehrperiode von weniger als sechs Jahren erleben, wird voraussichtlich bis zum Ende des 21. Jahrhunderts von derzeit drei auf elf Prozent steigen. Hot Spot-Regionen, in denen die Wiederkehrperioden unter diesen Wert fallen werden, sind der Bristol Channel und die Devon- und Cornwall-Küste im Vereinigten Königreich sowie die niederländische und deutsche Nordseeküste (Abb. 3B). Entlang des Wasserverbandes Noorderzijlvest, der auch mit dem größten Meeresspiegelanstieg konfrontiert ist, wird sich die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit eines potenziellen gleichzeitigen Auftretens von Sturmflut und Starkniederschlag verdreifachen – an der norwegischen Westküste um Bergen verfünffachen.

Nicht berücksichtigte Faktoren

Die Studie war auf die Raum/Zeit-Dynamik der meteorologischen Treiber von Überschwemmungen konzentriert. Das tatsächliche Hochwasserrisiko ist allerdings von mehreren Faktoren abhängig, wie etwa der Topographie und dem Vorhandensein von Schutzmaßnahmen. An Standorten mit Klippen kann die Gefahr zum Beispiel vernachlässigbar sein, obwohl die potenzielle Hochwassergefahr groß ist. Deshalb sind die Ergebnisse diese Studie als Grundlage für weitere detaillierte Studien zu sehen, die zusätzlich lokale Gegebenheiten, wie etwa die Küstenform, Deiche, Hafenanlagen oder Sperrwerke berücksichtigen.

Weitere Teammitglieder

Die Analysen führte der Doktorand Emanuele Bevacqua durch, der sich unter anderem auch mit der Flut von Ravenna beschäftigt hat und mittlerweile Postdoc an der Universität Reading (nahe Bristol) in Großbritannien ist.

Weiters waren das LSCE in Gif-sur-Yvette (Frankreich) und die University of Birmingham (Vereinigtes Königreich) an der Studie beteiligt.

Publikation

“Higher probability of compound flooding from precipitation and storm surge in Europe under anthropogenic climate change”
E. Bevacqua, D. Maraun, M. I. Vousdoukas, E. Voukouvalas, M. Vrac, L. Mentaschi, M. Widmann
Science Advances, Vol. 5, no. 9, eaaw5531, 18 September 2019

 

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