Christof Götz © Martin Anger
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About Brainhero GmbH (Wien) Brainhero Neuro Lab GmbH (Innsbruck)

  • Founders: Christof Götz, David Pollreisz
  • Founded in: 2018
  • Employees: 19 (intern), 5 (extern)
  • Money raised: Förderungen von Wirtschaftsagentur Austria, Austria Wirtschaft Service (AWS), Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG); Investitionen von IST-Cube, ARAX und mehreren Fonds
  • Ultimate goal: kurzgefasst: Zunächst konzentrieren wir uns auf die Therapie von Autismus – langfristig möchten wir uns als Mental Health-Unternehmen positionieren

Christof Götz und Christine Hartlieb-Götz haben selbst eine Tochter, die von Autismus betroffen ist. Im Lauf der Behandlungen stießen sie auf die Neurofeedback-Therapie – eine Art Krafttraining für das Gehirn, in dem man versucht, die Hirnaktivität gezielt zu beeinflussen. Dabei stellten sie fest, dass sich die Forschung lediglich auf leichte Fälle von Autismus konzentriert, die Patientenpopulation jedoch einen hohen Anteil an schwereren Fällen hat.

So sind etwa 40 Prozent der Betroffenen nonverbal, 31 Prozent leiden an einer intellektuellen Beeinträchtigung und 25 Prozent an Borderline. Die Ergebnisse des Trainings waren jedoch vielversprechend und die Idee zum Start-up Brainhero nahm Formen an. Unterstützung fand das Ehepaar im Biomedizintechniker David Pollreisz, der damals noch Student an der TU Wien war – und heute CTO von Brainhero ist. In dieser Serie der Folge Start-up of the Day spricht Co-Gründer Christof Götz über die Innovation und die Herausforderungen des Gründens.

Welches Problem löst ihr und warum ist das wichtig? 

“Uns geht es um den Alltag in Familien mit Kindern, die von Autismus betroffen sind. Wir schaffen Lebensqualität und ermöglichen es Therapeuten, die involviert sind, ihre Arbeit besser zu machen. Mit unserer Neurofeedback-Therapie wollen wir erreichen, dass das Kind in seinem Wachstum mehr aufnehmen kann und später, wenn es erwachsen ist, eine bessere Chance auf ein selbstständiges Leben hat. Dabei bieten wir Hardware und Software an – und auch die Therapie selbst – haben also auch ein eigenes Team zur Patientenbetreuung.”

Wie kann die Neurofeedback-Therapie das Leben der Kinder verbessern?

“Eine unter Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) leidende Person hat Schwierigkeiten normale soziale Beziehungen aufzubauen. Bei der Therapie versucht man also die Entwicklung von sozialen Kompetenzen anzuregen. Die Therapie basiert auf der Elektroenzephalographie (EEG) in Form einer Haube. Bisweilen ist diese Therapie nur kostspielig in Kliniken verfügbar. Wir haben ein mobiles EEG und ein Computerspiel für das Training zu Hause entwickelt. Brainhero ist der Protagonist, den die Patienten über ihre Gehirnaktivität am Computerbildschirm steuern können.” 

“Das ist allerdings nicht besonders einfach. Es ist eine Art Hantel für das Gehirn, die mit den Lernfortschritten des Kindes immer schwerer wird. Durch das Training verändert sich die Gehirnaktivität und diese Veränderungen zeigen sich auch im Verhalten. Die Forschung hat gezeigt, dass Kinder, die von Autismus betroffen sind, eine geringere Aktivierung der rechten Gehirnhälfte aufweisen, als ihre neurotypischen Altersgenossen – und dies korreliert mit dem Schweregrad der Symptome.

Mit unserem Produkt können wir gezielt auf diese Anomalie eingehen. Mit jeder Trainingssitzung lernen die Kinder, ihre Gehirnaktivität auf ein Niveau zu lenken, das dem der entsprechenden neurotypischen Population ähnelt. Mit der Zeit werden die Veränderungen auch in ihrem Verhalten sichtbar.”

Was war das größte Hindernis, das ihr überwinden musstet? 

“Es waren zwei Dinge: der Weg zur Zertifizierung als medizinisches Produkt – in Verbindung mit der Berücksichtigung der strengen Auflagen der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) – was Patientendaten betrifft. Zusätzlich streben wir an, dass Brainhero auch durch die Krankenkasse bezahlt wird – eine der nächsten großen Herausforderungen. Dadurch gibt es noch weitere strenge Regeln, die wir zu befolgen haben. Zum Beispiel die ISO 27001, aber auch, dass amerikanische Unternehmen nicht für die Speicherung von Patientendaten herangezogen werden – die europäischen Datacenter von Unternehmen wie Amazon und Google sind hier also explizit ausgeschlossen. Das sind extrem große Hürden – und Normen, die uns auch in unserer kreativen Spieleentwicklung einschränken.”  

Was waren die bisher schönsten Momente? 

“Wir haben eine klinische Machbarkeitsstudie für ein zukünftiges Produkt durchgeführt und auch schwerere Fälle von Autismus einbezogen. Am schönsten war es zu sehen, dass Kinder, die zuvor nonverbal waren, anfingen, Dinge zu benennen und bis hin zu drei-Wort-Sätzen zu sprechen. So waren sie erstmals in der Lage verbal zu kommunizieren und die Eltern waren sehr dankbar.”

Wie schwer war es, eine Finanzierung für die Neurofeedback-Therapie zu bekommen?

“Sehr schwer und ohne die österreichische Förderlandschaft hätten wir das nicht geschafft und dafür sind wir sehr dankbar. Förderungen waren wesentlich für die Entwicklung des Produktes, die medizinische Zertifizierung und die Verfügbarkeit auf dem Markt. Aber mittlerweile sind wir großteils extern finanziert. Unser Hauptinvestor ist IST Cube, mit dem wir sehr glücklich sind. In der letzten Finanzierungsrunde haben wir eine Reihe von Fonds bekommen – unter anderem Fair Finance, ein Impact Fonds, der auch einige unserer Therapien sponsern wird, für Betroffene, die sich die Therapie nicht leisten können oder die keine Therapieplätze haben. Mit ARAX haben wir zusätzlich noch eine stille Beteiligung. Wenn man diesen Wechsel zu externen Geldgebern macht, dann ändert sich doch vieles und der Managementaufwand steigt. 

Seit ein paar Wochen generieren wir eigene Umsätze. Wobei wir aufgrund der gestörten Lieferketten noch nicht so viele Therapien anbieten können. Aber gerade wird unser erster größerer Batch produziert und wir werden ab März/April 2023 größere Stückzahlen bereitstellen können.”

Wo möchten Sie mit Ihrem Unternehmen in fünf Jahren sein?

“Im nächsten Schritt wollen wir uns zu einem Mental Health Unternehmen für neurologische Problemstellungen weiterentwickeln. Dazu werden wir die Therapie personalisieren, indem wir diese auf die individuelle Struktur und den Aktivitätenhaushalt des Gehirns abstimmen. Dahinter steckt die Tatsache, dass Autismus nur sehr selten ohne andere neurologische Problemstellungen einhergeht. Daher müssen wir uns auch diesen Problemen widmen. Eine häufige Überlappung stellt zum Beispiel  Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) dar – weshalb wir unsere Therapie auch bereits für Kinder mit ADHS anbieten. 

Die Machbarkeitsstudie hat gezeigt, dass das sehr gut funktioniert. Wobei abzuwarten ist, welche Themen wir in die Zertifizierung einbringen können. Aber wir arbeiten schon jetzt gemeinsam mit unseren klinischen und wissenschaftlichen Partnern an den nächsten Themen.”

Was macht eure Neurofeedback-Therapie besser/anders als existierende Dinge?

“Es gibt zwar viele Forschungsprojekte zur Neurofeedback-Therapie, aber die meisten kommen nicht in den Markt, weil sie zu kompliziert in der Anwendung sind. Man kann ähnliche Therapien in Kliniken und Praxen machen, aber das ist für die betroffenen Patienten in der Regel nicht machbar, da die Umgebung fremd ist, man Zeit und Ort nicht frei wählen kann und man dabei etwas eher Unbequemes am Kopf tragen muss. Wir bringen die Therapie als medizinisches Produkt nach Hause: einfach handhabbar, angenehm zu tragen und jederzeit nutzbar. Dadurch kann das Training öfter durchgeführt werden – und ist auch kostengünstiger. Wir liegen preislich etwa bei der Hälfte von gängigen Therapien. Es gibt auch Konsumentengeräte die jedoch nicht als medizinische Produkte zertifiziert sind. Diese sind eher an Erwachsene gerichtet und bewirken letztendlich nicht mehr als Entspannung.”

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