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Laut der deutschen Krebsgesellschaft ist Prostatakrebs mit knapp 60.000 neu diagnostizierten Fällen pro Jahr die häufigste Krebserkrankung bei Männern. Der prozentuale Anteil an allen Krebsarten beträgt 25% und seine Häufigkeit nimmt seit fast drei Jahrzehnten stetig zu. Mit rund 10 Prozent steht das Prostatakarzinom hinter Lungen- und Darmkrebs an dritter Stelle bei den zum Tode führenden Krebserkrankungen. Der Krebs tritt hauptsächlich bei Männern über 70 Jahre auf, die Wahrscheinlichkeit, 5 Jahre nach der Diagnose noch am Leben zu sein, ist mit 91% die allerdings zweithöchste unter allen Krebserkrankungen in Deutschland.

In der Regel entwickelt sich der Tumor sehr langsam, daher ist nicht bei allen Patienten eine sofortige Therapie notwendig. Eine Unterscheidung zwischen gutartigen und aggressiven Typen der Erkrankung war bisher jedoch nicht möglich, insbesondere, wenn der Tumor schon in einem frühen Stadium entdeckt wurde.

Wie wird aber nun eine ursprünglich gesunde Zelle zu einem Tumor? Um das herauszufinden und Kriterien für diese Unterscheidung zu erarbeiten, hat ein Forscherteam der Charité in Berlin gemeinsam mit internationalen Arbeitsgruppen das gesamte molekulare Profil von fast 300 Prostatatumoren untersucht.

Tumor-Subtypen entschlüsselt, die unterschiedlich schnell fortschreiten

Sie entschlüsselten die Sequenz und die chemischen Veränderungen der Erbinformation und maßen die Genaktivität im Krebsgewebe. Die Analyse der Daten gab dann Hinweise auf die zeitliche Abfolge von Mutationsereignissen, durch die Prostatakrebs entsteht. „Wir konnten Tumor-Subtypen identifizieren, die verschieden schnell fortschreiten und deshalb unterschiedlich therapiert werden müssen“, sagt Prof. Dr. Thorsten Schlomm, Direktor der Klinik für Urologie an der Charité und einer der leitenden Studienautoren. „Wir wissen jetzt, welche die frühesten Mutationen sind, die eine Entartung von Prostatazellen einleiten, und welche Mutationen häufig folgen.“

Prostatakrebs
Prof.Thorsten Schlomm – Leitung Klinik für Urologie
Copyright: Charité/ Peitz

Auf Basis dieser Ergebnisse entwickelten die Wissenschaftler ein Computermodell, das zeigt, wie die Krankheit voraussichtlich verlaufen wird und somit den Krankheitsverlauf eines einzelnen Patienten prognostizieren kann. Das soll künftig individuell maßgeschneiderte Therapien ermöglichen.

„Wenn der Tumor eines Patienten eine bestimmte Mutation aufweist, können wir nun vorhersagen, welche Mutation voraussichtlich als nächstes auftreten wird – und wie gut die Prognose des Patienten ist“, erklärt Prof. Schlomm. „Unser Team arbeitet derzeit daran, das Computermodell an der Charité in die Behandlungsstrategie einzubinden, um vor einer Therapie deren Erfolg zu simulieren. Wir rechnen mit einem Zeithorizont von zwei bis drei Jahren, bis das algorithmenbasierte Vorgehen vollständig etabliert ist.“

In Zukunft soll das Programm Ärzten bei der Entscheidung helfen, welche individuelle Therapie bei welchem Patienten angeraten ist. Um die Verlässlichkeit der Vorhersage zu verbessern, will das Forschungskonsortium in den kommenden Jahren zusammen mit dem neu gegründeten Haupstadt-Urologie-Netzwerk (ein Zusammenschluss der Charité mit niedergelassenen Urologen in Berlin und Brandenburg) weiter Daten von einigen tausend Patienten sammeln und in das Computermodell einfließen zu lassen.

Titelbild: Schnitt durch das Gewebe einer Prostatabiopsie. Prostatazellen sind grün gefärbt, rote und weiße Bereiche stellen tumorrelevante Veränderungen in Prostatakrebszellen dar. Copyright: Niclas Blessing/UKE

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