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Im ersten Augenblick mag es befremdlich erscheinen, dass sogar Mikroben eine Auszeichnung erhalten. Doch genau das ist das Ziel der Vereinigung für allgemeine und angewandte Mikrobiologie (VAAM): Sie möchte in der Öffentlichkeit auf  Mikroorganismen aufmerksam machen. Denn kaum einer weiß, dass nicht jedes Bakterium krank macht. Einige von ihnen haben sogar eine besondere Bedeutung zum Beispiel für die Ökologie, Medizin, Technik, Lebensmittelwirtschaft, Energiegewinnung, Geschichte oder Forschung inne. Um hier eine Bresche für ihr Forschungsfeld zu schlagen, kürt eine Jury aus Mikrobiologen seit 2014 die Mikrobe des Jahres.

Besondere Merkmale

Für 2019 wurde Magnetospirillum als Mikrobe des Jahres gewählt. Denn das magnetische Bakterium bietet für die Biotechnologie sowie Medizin faszinierende Möglichkeiten. Die winzig kleinen Magnete zeichnen sich durch eine einheitliche Größe und Form sowie hohe Magnetisierung aus. Diese besonderen Merkmale werden von synthetischen Nanopartikeln derzeit noch nicht erreicht. Werden fremde Moleküle an die Magnetosomenpartikel gekoppelt, können diese ihnen zusätzliche nützliche Eigenschaften verleihen. Auch hat sich in Laborversuchen gezeigt, dass isoliertes Magnetospirillum die Wirksamkeit kommerzieller magnetischer Kontrastmittel deutlich übertrifft. Somit sind die Mikroben für die Magnetresonanztomographie (MRT) äußerst interessant. Auch eignen sie sich für Bildgebungsverfahren in der Forschung und medizinischen Diagnostik .

Nützliche Mikroroboter

Andere Forscher versuchen derzeit, die lebenden Magnetbakterien als Mikroroboter zu verwenden. Hierfür beladen sie diese mit Medikamenten und bringen sie dann, magnetisch gesteuert, an den Wirkungsort im Körper. Wenn ein starkes Magnetfeld angelegt wird, erzeugen die magnetischen Bakterien in Zellen oder Geweben Wärme. Mit dieser ließen sich in Tierversuchen sogar Tumore verkleinern. Die Mikroorganismen können also ganz klar eine große und positive Wirkung auf unser zukünftiges Leben haben.

Magnetospirillum wie Kompassnadel

Schon 1963 entdeckte der Italiener Salvatore Bellini erstmals das magnetische Bakterium. Während er damals noch auf Unglauben stieß, bestätige Richard Blakemore im Jahre 1975 mithilfe des Elektronenmikroskops die faszinierende Beobachtung. Die Mikroorganismen aus Schlammproben richten sich wie eine Kompassnadel im magnetischen Feld aus. Dabei transportieren spezielle Enzyme Eisenionen aus der Umgebung in die Bakterienzelle. So bilden sich Ketten aus 15 bis 30 Eisenoxid-Kristallen, die zusammen als Magnet wirken. Ein Zellskelett aus langen Proteinfäden – das ähnlich aufgebaut ist wie unsere Muskeln –, hält währenddessen die Kristalle in der Zellmitte. Außerdem sortiert es diese bei der Zellteilung gleichmäßig. Per Sauerstoffsensor orientieren sich die Bakterien im Wasser: Sie suchen gezielt Schichten mit dem für sie geeigneten, geringen Sauerstoffgehalt auf. Dabei helfen ihnen die magnetischen Pole der Erde, sich in der richtigen Wassertiefe auszurichten. Dank der detaillierten Erkenntnisse zur Biosynthese und zur Funktion der Magnetosomen gilt Magnetospirillum mittlerweile als wichtiger Modellorganismus für die Bildung bakterieller Organellen.

Schauspiel unter Mikroskop

Anfang der 90er stieß Prof. Dr. Dirk Schüler von der Universität Bayreuth auf das Bakterium „Magnetospirillum gryphiswaldense“. Neben dem wissenschaftlichen Hintergrund, lässt sich sogar der Professor immer noch davon begeistern, die Magnetospirillen unter dem Mikroskop magnetisch einheitlich ausgerichtet umherflitzen zu sehen. Deshalb hat er für private Forscher einen Tipp parat: „Mit einem Phasenkontrastmikroskop, das wenigstens 100fach, besser 400fach vergrößert, betrachtet man den Rand eines Schlammtropfens [zum Beispiel aus dem Gartenteich], an den man einen kleinen Stabmagneten hält.“, so der Wissenschaftler, „Magnetbakterien schwimmen hartnäckig in eine Richtung und sammeln sich am Tropfenrand des magnetischen Südpols. Dreht man den Magneten um, wenden auch die Bakterien.“

 

Bild oben: Magnetospirillum gryphiswaldense in Teilung mit Magnetitkristallen (rot) und dem speziellen Cytoskelett (grün). © M. Toro-Nahulepan/ J. Plitzko