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Mit einer Stammzelle einer Kuh könnte man Tausende Kilos Fleisch züchten. Theoretisch ist es sogar möglich, in 25.000-Liter-Bioreaktoren genügend Fleisch züchten, um Zehntausende Menschen ein Jahr lang zu ernähren. Warum geschieht das also noch nicht?

Im Jahr 2013 wurde in London der erste Burger mit kultiviertem Fleisch vorgestellt. Mark Post von der Universität Maastricht baute den Burger mit der finanziellen Unterstützung von Google-Gründer Sergey Brin an. Das Fleischstück kostete mehr als 250.000 Euro. Heute, etwa fünf Jahre später, ist der Preis bereits ziemlich stark gefallen: „Für ein Kilo sauberes Fleisch würde man rund 60 Euro bezahlen”, sagt Post auf dem vierten internationalen Kongress für kultiviertes Fleisch in Maastricht. Hier treffen sich Wissenschaftler, Investoren, Unternehmer und Interessengruppen, um die neuesten Entwicklungen in Forschung und Regulierung zu diskutieren.

Mark Post Universität Maastricht
Mark Post im Labor in Maastricht. (C) Universität Maastricht

Der Grund, wieso wir nicht großteils auf Fleisch aus dem Labor umgestellt haben, liegt nicht nur an den Kosten. Um das Fleisch im industriellen Maßstab züchten zu können, ist es notwendig, das derzeit verwendete fetale Rinderserum (FBS) loszuwerden. Dieses Serum, das Blut von ungeborenen Kälbern enthält, enthält viele verschiedene Arten an Proteinen, die die Vermehrung von Stammzellen anregen. Auf diese Weise „wächst” das Fleisch. Aber die Verwendung von fetalem Rinderserum ist umstritten, weshalb Wissenschaftler nach Alternativen suchen, um die Proteine aus anderen Quellen zu finden. Beispiele gibt es bereits – die Fermentation von Mikroben oder Pilzextrakte. Es ist auch möglich, Bakterien genetisch zu manipulieren, um Proteine zu produzieren. „FBS ist nicht tierfreundlich und es gibt nicht genug davon, um Fleisch in großem Umfang zu züchten, vor allem, wenn die Zahl der Tiere abnimmt, wenn wir mehr auf kultiviertes Fleisch umsteigen. Wir haben Alternativen, aber sie müssen auch in großem Maßstab anwendbar sein. Das ist im Moment die große Herausforderung”, sagt Post.

Laborfleisch

Eine weitere Herausforderung ist, ob die Verbraucher Fleisch aus einem Labor akzeptieren. „Es sieht so aus, als würden sie ihre Meinung täglich wechseln”, scherzt Chris Bryant von der University of Bath in England, wo er an der Erforschung der Verbraucherakzeptanz von kultiviertem Fleisch arbeitet. „Die Ergebnisse weltweiter Forschung variiert immer wieder. In einer Studie sind Frauen nicht bereit, es zu versuchen, während eine andere zeigt, dass Männer kein kultiviertes Fleisch essen wollen.” Der Wissenschaftler hat keine Antwort darauf, warum das so ist. Bryant deutet an, dass sich Menschen desto schneller an die Idee gewöhnen, es zu essen, je sie über kultiviertes Fleisch und die Idee, die dahintersteckt, wissen.

Cultured beef conference Chris Bryant
Konferenz für Kulturrindfleisch, Chris Bryant erzählt über die Akzeptanz beim Verbraucher

„Menschen, die nichts darüber wissen, neigen dazu zu sagen, dass es unnatürliches, genetisch modifiziertes Fleisch ist, weil es aus einem Labor kommt. Während Menschen mit mehr Wissen über kultiviertes Fleisch sagen, dass es tierfreundlich und klimaschonend ist, und sie es als eine mögliche Lösung für das Ernährungsproblem betrachten und es daher essen würden. Ich denke, das ist gut so; es gibt immer mehr Informationen über dieses Fleisch, so dass die Verbraucher es weniger als ein beängstigendes Science-Fiction-Produkt sehen. Es wird eine Zeit geben, in der Kinder eine Kuh sehen und fragen werden: Hatten wir in der Vergangenheit wirklich Kühe für Fleisch?”

Regulierungen

Das wird aber noch einige Zeit dauern, denn es gibt noch keine Gesetzgebung für kultiviertes Fleisch. Es ist Teil eines neuen Produkts und muss alle Arten von Anforderungen erfüllen. Nach europäischer Gesetzgebung dauert das etwa neun bis 24 Monate. „Es muss eine Datei erstellt werden, in der die Lebensmittelhersteller nachweisen, dass das Produkt sicher ist. Es darf die Verbraucher nicht irreführen und muss die gleichen Nährstoffe enthalten wie das Originalprodukt – in diesem Fall Fleisch”, sagt Karin Verzijden. Verzijden ist Rechtsanwältin und spezialisiert auf die Regulierung in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie. Sie empfiehlt, dass Produzenten oder Entwickler von kultiviertem Fleisch frühzeitig mit der Politik sprechen. Auch Elizabeth Derbes vom Good Food Institute ist dabei: „Machen Sie [den Politikern] klar, was die Risiken sein können und sagen Sie ihnen, wie sie diese lösen können, wenn etwas schief geht.”

Laut Post ist das schwierig: „Die EU ist derzeit sehr vorsichtig. Sie haben Angst, irgendwelche Aussagen zu machen. Vielleicht wollen sie das Biokraftstoff-Szenario nicht wiederholen, bei dem sie zu schnell eine Entscheidung getroffen haben. Gerade bei gentechnisch veränderten Lösungen (z.B. für FBS) sind sie sehr zurückhaltend. Natürlich hilft das bei der Entwicklung nicht.” Aber er bleibt positiv: „Ich sehe, dass sich diese vorsichtige Haltung immer mehr ändert. Kultiviertes Fleisch wird nicht sofort das traditionelle Fleisch in unseren Gerichten ersetzen, es wird zuerst zu einem Luxusprodukt, das sich zu einem Produkt für jedermann entwickelt.”

Photo: David Parry/PA