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Kein tagelanges Warten mehr auf Laborergebnisse nach einer Biopsie. Das könnte für Darmkrebspatienten schon bald Realität sein. Wissenschaftler des Zentrums für Proteindiagnostik Prodi der Ruhr-Universität Bochum (RUB) haben eine Methode gefunden, mit der das Ergebnis bereits nach einer halben Stunde feststeht.

Sie haben Infrarot (IR)-Mikroskope eingesetzt, die auf Quanten-Kaskaden-Lasern basieren, um Dickdarmkrebs-Gewebeproben markerfrei und automatisiert zu klassifizieren. Mithilfe künstlicher Intelligenz konnten die Forscher innerhalb von 30 Minuten verschiedene Tumortypen mit großer Treffsicherheit unterscheiden und bestimmen, um welche Form von Tumor es sich handelt. Laut Aussagen der Wissenschaftler lassen sich so Entscheidungen über die Wahl einer Therapie sicherer treffen.

Prognose dank Mikrosatellitenstatus

Bei Krebserkrankungen unterscheidet man zwischen mikrosatellitenstabilen (MSS) und mikrosatelliteninstabilen (MSI) Tumoren. Mikrosatelliten sind meist funktionslose, kurze DNA-Sequenzen, die sich häufig wiederholen. Eine deutlich höhere Überlebensrate haben Patienten mit MSI-Tumoren, da die Mutationsrate der Krebszellen etwa 1.000-fach höher ist und die Zellen so weniger wachsen. Außerdem sei die innovative Immuntherapie bei Patienten mit MSI-Tumoren  erfolgreicher. „Es ist also für die Prognose und die Entscheidung für eine Therapie wichtig zu wissen, um welche Art des Tumors es sich handelt“, sagt Prof. Dr. Anke Reinacher-Schick, Leiterin der Abteilung für Hämatologie und Onkologie des RUB-Klinikums St. Josef-Hospital. Die bisherige differentielle Diagnose geschieht durch immunhistochemische Färbungen von Gewebeproben und eine anschließende aufwändiger Genanalyse.

Dass IR-Imaging als diagnostisches Werkzeug zur Klassifizierung von Gewebe funktioniert, hatten Prof. Dr. Klaus Gerwert vom RUB-Lehrstuhl für Biophysik und seine Kollegen schon in früheren Studien gezeigt. Bei diesem Verfahren ist eine vorherige Färbung oder andere Markierung nicht nötig, denn es erkennt Krebsgewebe auch automatisiert mithilfe künstlicher Intelligenz. Und es ist bedeutend schneller als die herkömmliche differentielle Diagnose des Mikrosatellitenstatus. Der dauert etwa einen Tag, während das neue Verfahren eine Diagnose bereits nach einer halben Stunde ermöglicht.

Die entscheidende Verbesserung des Verfahrens liege darin, dass die es auf die Erkennung einer molekularen Veränderung des Gewebes erweitert hättn, sagen sie Forscher. Zuvor seien nur morphologische Visualisierungen des Gewebes möglich gewesen. „Dies ist ein großer Schritt, der zeigt, dass das IR-Imaging eine vielversprechende Methodik in der zukünftigen Diagnostik und Therapieprädiktion werden kann“, so Klaus Gerwert.

Vielversprechende Machbarkeitsstudie in Richtung personalisierte Medizin

In einer Machbarkeitsstudie des neuen Verfahrens mit 100 Patienten wurden alle MSI-Tumoren korrekt erkannt und klassifiziert. Es wurden aber auch ein paar wenige Nicht-MSI-Tumoren fälschlich als solche erkannt. Aktuell läuft eine erweiterte klinische Studie, die an Proben aus der Colopredict-Plus-2.0-Registerstudie durchgeführt wird. „Interessant ist die Methodik auch, weil sehr wenig Probenmaterial verbraucht wird, was in der heutigen Diagnostik mit immer mehr anwendbaren Techniken ein entscheidender Vorteil sein kann“, sagt Prof. Dr. Andrea Tannapfel vom Institut für Pathologie der RUB.

Das Verfahren soll in Zukunft in den klinischen Workflow eingebracht werden, um herauszufinden, wie groß sein Nutzen für die Präzisionsonkologie ist. „Eine schnelle und präzise Diagnostik ist aufgrund der immer gezielteren Therapie bei onkologischen Erkrankungen von großer Bedeutung“, erklärt Anke Reinacher-Schick, die die Registerstudie gemeinsam mit Tannapfel initiiert hat.

Die Wissenschaftler haben die Ergebnisse ihrer Studie in der Zeitschrift Scientific Reports veröffentlicht. Gefördert wurden die Arbeiten durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.