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Um das Sars-Cov-2-Virus, das die Krankheit COVID-19 auslöst, gibt es auch nach mehr als einem halben Jahr noch immer viele Rätsel. Wir wissen mittlerweile zwar zum großen Teil, wie es sich verbreitet und was es im Körper anrichten kann. Wie es man es jedoch vermeiden kann, dass sich das Virus im Körper überhaupt erst ausbreitet, daran forschen Wissenschaftler rund um den Globus auf Hochtouren. Ein internationales Team aus Deutschland, der Schweiz und den USA ist der Antwort auf diese Frage nun einen großen Schritt nähergekommen.

Die Wissenschaftler konnten beweisen, dass das LY6E-Protein, ein Protein, das vom menschlichen Immunsystem produziert wird und Coronaviren stark hemmen kann, auch Sars-Cov-2 daran hindern kann, eine Infektion auszulösen. „Daraus lassen sich Hinweise auf mögliche Behandlungsstrategien ableiten“, so Prof. Dr. Stephanie Pfänder von der Abteilung Molekulare und Medizinische Virologie der Ruhr-Universität Bochum (RUB), Erstautorin der Studie LY6E impairs coronavirus fusion and confers immune control of viral disease, die das Team in der Zeitschrift Nature Microbiology veröffentlicht hat.

Schlecht bei Grippe, gut gegen Coronaviren

Die US-amerikanischen Forscher Prof. Dr. John Schoggins und Prof. Dr. Charles Rice entdeckten bereits vor einiger Zeit, dass das LY6E-Protein bei verschiedenen Erkrankungen eine Rolle spielt und so zum Beispiel die Infektiosität von Grippe auslösenden Influenzaviren verstärkt. Forschungen nach Genen, die Coronaviren hemmen, hätten mittlerweile zu der Entdeckung geführt, „dass LY6E auf Coronaviren im Vergleich zu Grippeviren den gegenteiligen Effekt hat: Es wirkt auf sie stark hemmend“, sagt Pfänder.

Weitere Untersuchungen hätten belegt, „dass das Protein diese hemmende Wirkung auf alle getesteten Coronaviren ausübte, darunter auch die Erreger von Sars und Mers sowie Sars-Cov-2, den Auslöser von Covid-19“. Tests mit verschiedenen Zellkulturen haben gezeigt, dass LY6E die Fähigkeit des Virus beeinträchtigt, sich mit den Wirtszellen im Körper zu vereinigen. „Wenn das Virus nicht mit diesen Zellen fusionieren kann, kann es keine Infektion auslösen“, erklärt Letztautor Prof. Dr. Volker Thiel von der Universität Bern.

Stephanie Pfänder sucht nach Genen, die Coronaviren hemmen. © RUB, Marquard

Nachweis im Tiermodell

Durch Experimente am Southwestern Medical Center der University of Texas konnte nachgewiesen werden, „dass die Mausvariante des Proteins namens Ly6e für den Schutz von Immunzellen vor Infektionen entscheidend ist“. Ohne Ly6e würden Immunzellen wie dendritische Zellen und B-Zellen anfälliger für Infektionen, und ihre Anzahl nehme drastisch ab, schreiben die Forscher. Mäuse ohne Ly6e in Immunzellen waren sogar für ein Maus-Coronavirus sehr anfällig, das normalerweise nicht tödlich ist und starben daran.

Das im Experiment verwendete Maus-Coronavirus unterscheidet sich zwar „deutlich“ vom Sars-Cov-2-Virus und löst keine Atemwegserkrankung, sondern Hepatitis aus. Um grundlegende Konzepte der Coronavirus-Replikation und der Immunreaktionen in einem lebenden Tier zu verstehen, ist es jedoch trotzdem geeignet.

„Unsere Studie bringt neue Erkenntnisse darüber, wie wichtig diese antiviralen Gene für die Kontrolle der Virusinfektion und für eine angemessene Immunantwort gegen das Virus sind“, betonen die Autoren. „Da LY6E ein natürlich vorkommendes Protein des Menschen ist, hoffen wir, dass dieses Wissen bei der Entwicklung von Therapien helfen kann, die eines Tages zur Behandlung von Coronavirus-Infektionen eingesetzt werden könnten.“ Ein therapeutischer Ansatz, der den Wirkmechanismus von LY6E nachahmt, könne eine erste Verteidigungslinie gegen neuartige Coronavirus-Infektionen darstellen.

Stephanie Pfänder wurde im Rahmen eines Marie-Skłodowska-Curie-Fellowships von der Europäischen Kommission gefördert.