Hydroponisches System (c) Von Goldlocki, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1237580
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Kläranlagen haben die Funktion Abwasser zu reinigen. Die Wissenschaft sieht darin aber auch eine wertvolle Ressource. Abwässer – und deren Bestandteile – werden für neue Agrarlösungen eingesetzt. Im Projekt SUSKULT ist es ein urbanes Gewächshaus, das mit den Ressourcen einer Kläranlage betrieben werden soll.

Die Agrarwirtschaft wird stetig intensiviert und zeigt bereits ernsthafte Erschöpfungserscheinungen: Die Phosphatressourcen sind endlich. Ohne Phosphat wächst keine Pflanze. die Düngemittelproduktion erfordert einen hohen Energieaufwand und – Gewässer und Böden sind zunehmend verschmutzt. Diesem Dilemma steht eine steigende Nachfrage nach nachhaltigen, lokalen und hochwertigen Agrarprodukten gegenüber. Insbesondere die Versorgung der expansiven urbanen Zentren stellt ein Problem dar.

An die Kläranlage andocken

Kläranlagen sind in den Städten vorhanden – und liefern alle Komponenten, die für den Anbau von Agrarprodukten in Gewächshäusern notwendig sind. Deshalb soll in dem Projekt SUSKULT an Kläranlagen angedockt werden, um ein Agrarsystem für den urbanen Anbau von hochwertigem Gemüse zu ermöglichen.

„Das System soll in bestehende Kläranlagen integriert werden und die dort vorhandenen Ressourcen nutzen. Neben den Nährstoffen sind dies vor
allem auch CO2 und Wärme – zur Steigerung der Produktivität und Beheizung von Glashäusern“,

erklärt Markus Ellersdorfer, der an der Montanuniversität Leoben am Lehrstuhl für Verfahrenstechnik des Industriellen Umweltschutzes im Bereich Renewable Materials Processing forscht.

Kläranlage
Schematische Darstellung der SUSKULT-Vision (c) Fraunhofer UMSICHT

 

In dem Projekt werden zunächst unterschiedliche Technologien zur Nährstoffrückgewinnung erprobt. Wobei sich die einzelnen wissenschaftlichen Partner auf ihre Expertise konzentrieren. So wird zum Beispiel die Membrantechnologie von Fraunhofer UMSICHT erforscht und die Nährstoffabtrennung durch Ionenaustauschprozesse an Zeolithen durch die Montanuniversität Leoben, erklärt Ellersdorfer. Zitat: „Am Ende soll aus den Einzeltechnologien entweder die beste ausgewählt oder ein optimaler Gesamtprozess bestehend aus bestimmten Einzeltechnologien entstehen, der eine Rückgewinnung von Stickstoff, Phosphor und Kalium – die wesentlichen Nährstoffe für die Pflanzenproduktion – an Kläranlagen möglich macht.“

Hydroponisches System

Derzeit gehen die Forscher davon aus, dass im Gewächshaus ein hydroponisches System eingesetzt wird. Dabei wird auf Erde verzichtet. Die von der Pflanze benötigten Nährstoffe und Dünger werden nur in flüssiger Form an die Wurzeln herangebracht.

Der Prozess der Nährstoffrückgewinnung soll unmittelbar sein: Die Nährstoffe sollen aus dem an der Kläranlage umlaufenden Abwasser extrahiert werden und möglichst kontinuierlich der Pflanzenkultivierung zugeführt werden.

Pilotanlage im Ruhrgebiet

Das Projekt läuft bis 2024. Bis dahin soll eine Demonstrationsanlage im Klärwerk Emschermünde für die Produktion von vierzig Tonnen Gemüse pro Jahr an einer bestehenden Kläranlage im Ruhrgebiet umgesetzt werden.

Am Projekt SUSKULT sind fünfzehn Partner aus Industrie und Forschung beteiligt. Darunter auch die REWE Markt GmbH und die Metro AG. Initiator und Koordinator ist das Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT im deutschen Oberhausen. Die Finanzierung erfolgt im Rahmen der Initiative Agrarsysteme der Zukunft aus Mitteln des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Rückgewinnung von Nährstoffen

Die Verfahrenstechniker der Montanuniversität Leoben haben bereits ein Projekt zur Rückgewinnung von Stickstoff aus Klärwasser abgeschlossen. Dabei wurde ein neues Verfahren entwickelt, das die Rückgewinnung von überschüssigem Stickstoff aus Klärwasser auf Basis von Zeolithen ermöglicht.

Zeolithe kommen in der Natur in Form von verschiedenen Mineralen vor und können auch in europäischen Lagerstätten abgebaut werden. Aufgrund ihrer kristallinen Struktur besitzen sie die Fähigkeit, bestimmte Stoffe zu binden, beziehungsweise konzentriert wieder freizugeben. Das Team um Ellersdorfer ließ die Abwässer über Zeolithe strömen. Dabei zeigte sich, dass der Stickstoff in den Gitterstrukturen hängenbleibt und dann als konzentrierte Lösung wieder ausgewaschen wird. Der so gewonnene Stickstoff wird für die Reinigung industrieller Rauchgase eingesetzt.

Im Projekt SUSKULT soll nun getestet werden, ob dieser Stickstoff auch als Dünger eingesetzt werden kann und ob Kalium und Phosphor im selben Verfahren gewonnen werden können.

Lokale, urbane Produktion

Es gibt bereits Verfahren, in denen Kläranlagen im Sinne der Kreislaufwirtschaft genutzt werden. Zum Beispiel wird Phosphor aus Schlamm und Asche aus Kläranlagen zurückgewonnen. Dabei wird dieser aber in Form von Dünger oder Futterzusatz in die Agrarwirtschaft gebracht. Allerdings muss der Phosphor in diesem Verfahren erst in ländliche Regionen geliefert werden, um dann Obst und Gemüse wieder in die Stadt zu bringen. Im Projekt SUSKULT wird indessen die Vision der lokalen Produktion im städtischen Bereich verfolgt.

Kläranlagen
Klärwerk Emschermündung.
Emschermündung, KLEM, hier Blick auf die VKB Vorklärbecken (Trichter).
© EGLV Rupert Oberhäuser

 

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