© PollyDot from Pixabay
Author profile picture

In einschlägigen Science-Fiction-Romanen schlagen oft „Schwarmintelligenzen“ geführt wie ein Bienenvolk unerbittlich zu und versklaven die Menschheit (ironischerweise werden sie meistens von Individuen besiegt). „Schwarmintelligenz“ bestimmt in der Realität den Duktus der öffentlichen Diskussion und nun beschwören die Ökoritter den „Schwarmspeicher“ um die Elektromobilität und deren Akkus einer Zweitverwendung für das Gute zuzuführen.

Über diese Kolumne:

In einer wöchentlichen Kolumne, die abwechselnd von Eveline van Zeeland, Eugene Franken, Katleen Gabriels, PG Kroeger, Carina Weijma, Bernd Maier-Leppla, Willemijn Brouwer und Colinda de Beer geschrieben wird, versucht Innovation Origins herauszufinden, wie die Zukunft aussehen wird. Diese Kolumnisten, die manchmal durch Gastblogger ergänzt werden, arbeiten alle auf ihre Weise an Lösungen für die Probleme unserer Zeit. Bitte lesen Sie hier die bisherige Episoden.

Bidirektionales Laden

Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck hat gerade etwas Neues entdeckt. Die Speicherfähigkeit von Elektroautos – jedoch nicht um von A nach B zu kommen, sondern als parkende Monumente um etwas für die Energiesicherheit zu tun.

Seine Vision ist, dass durch bidirektionales Laden die Autos, wenn sie nicht gebraucht werden, das Stromnetz stabilisieren und so der sogenannten „Dunkelflaute“ (die es nach Lesart der Öko-Aktivisten ohnehin nicht gibt) den Schrecken nehmen.

„Dunkelflaute“ & Netzfrequenz

Der Elefant im Zimmer der regenerativen Energieerzeugung durch Solar und Wind ist die intermittierende Energieerzeugung. Bläst der Wind und scheint die Sonne, gibt es selbst im Land mit der „dümmsten Energiepolitik“ (Wallstreet Journal über Deutschland) kaum Probleme und der CO2-Anteil pro kWh pegelt sich nur auf dem Drei- bis Vierfachen des Atomlands Frankreich ein. Mit der intermittierenden Energieerzeugung steigen aber auch die Probleme, die Netzfrequenz konstant zu halten. Das ist lebenswichtig; denn sinkt oder steigt sie zu stark droht der Blackout.

Mit den bidirektionalen Fähigkeiten von Millionen von Elektroautos könnte man somit einen gigantischen Speicher en passant nutzen und alle Probleme der intermittierenden Stromerzeuger wären gelöst, nicht wahr? Voraussetzung: die Autos sind dafür vorbereitet. Die OEMs jedenfalls haben schon signalisiert, dass sie dies in Zukunft – natürlich gegen Aufpreis – anbieten wollen. Vermutlich warten sie nur noch drauf, dass eine EU-Kommission nebst NGO ihr Placet gibt.

V2G & V2H

Vehicle to Grid, bzw. Vehicle to Home sind die Bezeichnungen für diese spezielle Eigenschaft der Stromer. Bislang können dies nur wenige Elektroautos, wie die neuesten Kias und Hyundais, einige chinesische Modelle, manche Renaults und ganz versteckt sogar einige Autos von VW. Wenn überhaupt, werden die Fahrzeuge nur als „Stromaggregate“ beim Camping zweckentfremdet und treiben mal eine Kaffeemaschine oder mal, ganz ökologisch korrekt, den Elektrogrill an.

Tatsächlich wären die großen Batteriekapazitäten aber in der Lage ganze Einfamilienhäuser über Tage zu versorgen. Das funktioniert aber meistens nur mit speziellen Wallboxen, die den Strom ins Hausnetz einspeisen können. Derzeit sind das vor allem Gleichstromboxen, die unglaublich teuer (um die 6.000 Euro aufwärts) und selten sind.

Nur was für Wohlhabende?

Dadurch sind die Einsatzmöglichkeiten derzeit erst mal auf Hausbesitzer beschränkt, die das nötige Kleingeld besitzen, sowohl für das „richtige“ Elektroauto als auch für das Drumherum. Denn das Hausnetz muss natürlich auch vorbereitet werden.

Ganz anders sieht es mit dem Habeck’schen „Endziel“ aus: Millionen Stromer (bis 2030 sollen es in Deutschland phantastische 15 Mio. werden), die uns in das energetische Utopia führen. Dann nämlich müssten nahezu alle Elektroautos, auch die, die am Straßenrand geparkt werden (der Fairness halber) für die Allgemeinheit Strom abgeben, wenn das Netz in Gefahr ist.

Die dazu nötige digitale und netzarchitektonische Infrastruktur dürfte gelinde gesagt nicht wirklich trivial werden. Schließlich müssen die Kosten für Stromabgabe und die Lade-/Entladezyklen der Fahrzeuge auf irgend eine Weise realistisch abgebildet werden. Und mit jedem zusätzlichen Ladezyklus degeneriert auch die sauteure Li-Ionen-Batterie etwas mehr.

Verpennt

Das könnte sich als schwierig erweisen in einem Land, das die digitale Revolution der letzten 40 Jahre grandios verpennt hat und nicht mehr in der Lage zu sein scheint, Großprojekte zu stemmen. Der Berliner Flughafen (BER), der Stuttgarter Bahnhof, überhaupt die Bahninfrastruktur, der Zustand der Straßen, Brücken und last but not least noch zu bauende Starkstrom-Nord-Süd-Verbindungen im Stromnetz – all das sind Dinge, die zeigen, wie dysfunktional Deutschland geworden ist.

Dass wir uns richtig verstehen: die Idee hinter dem „Schwarmspeicher“ ist bestechend. Der finanzielle, bürokratische und politische Aufwand dahinter wird jedoch astronomisch werden. Chaos ist programmiert. Da wäre die nächste „Zeitenwende“ gefragt.

Das macht wenig Hoffnung, denn die bisherigen deutschen „Zeitenwenden“ blieben den „Proof of the Pudding“ bislang schuldig…