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An der Technischen Universität München (TUM) ist es Professor Arne Skerra erstmals gelungen gasförmiges CO2 als Grundstoff für die Produktion eines chemischen Massenprodukts zu verwenden. Dabei handelt es sich um Methionin, eine essentielle Aminosäure, die vor allem in der Tiermast eingesetzt wird. Es ist ein Grundbaustein von Eiweißstoffen, der nicht nur für viele Lebewesen lebensnotwendig ist, sondern vor allem für den Menschen. Das Problem: Der Mensch kann Methionin nicht selbst produzieren und muss es mit der Nahrung aufnehmen. Bei Masttieren, etwa Geflügel oder Fisch beschleunigt Methionin das Wachstum – ähnlich wie Mineraldünger Pflanzen schneller wachsen lässt. Derzeit werden etwa eine Millionen Tonnen Methionin weltweit produziert.

Das neu entwickelte Verfahren kann insofern einen Durchbruch bedeuten, da bei der bisher gängigen industriellen Herstellung von Methionin ein 6-stufiger chemischer Prozess auf Basis petrochemischer Ausgangsstoffe nötig war. Dabei wird unter anderem hochgiftige Blausäure benötigt. Bei diesem Prozess entsteht aber auch das technisch unproblematische Zwischenprodukt Methional – ein Abbauprodukt von Methionin, das in der Natur vorkommt. Für das neue Verfahren ist dies entscheidend.

Evonik lud zur Ausschreibung

Die Vorbereitungen für die Forschungsarbeit starteten, als das Unternehmen Evonik Industries im Rahmen einer Ausschreibung 2013 Hochschulforscher einlud, neue Verfahren vorzuschlagen, mit denen sich Methionin gefahrenloser herstellen lässt. Evonik ist einer der weltweit größten Hersteller der Substanz.

„Ausgehend von der Überlegung, dass Methionin in Mikroorganismen von Enzymen unter Abgabe von CO2 zu Methional abgebaut wird, versuchten wir diesen Prozess umzukehren“, erklärt Professor Arne Skerra, Inhaber des Lehrstuhls für Biologische Chemie an der TUM. „Denn jede chemische Reaktion ist im Prinzip umkehrbar, allerdings oft nur unter hohem Einsatz von Energie und Druck.“ Skerra beteiligte sich an der Ausschreibung, die Idee wurde von Evonik prämiert und als Projekt gefördert.

Skerra begann gemeinsam mit Postdoc Lukas Eisoldt die Rahmenbedingungen für den Herstellungsprozess zu ermitteln und die nötigen Biokatalysatoren (Enzyme) herzustellen. Mit ersten Versuchen erprobten sie, welcher CO2-Druck nötig wäre, um in einem biokatalytischen Prozess Methionin aus Methional herzustellen. Es zeigte sich, dass schon bei relativ niedrigem Druck – etwa dem eines Autoreifens, cirka zwei Bar, die Ausbeute unerwartet hoch war. Dank dieser Erfolge, die sich bereits nach einem Jahr einstellten, verlängerte Evonik die Förderung. Das Team setzt die Forschung mit Unterstützung von Doktorandin, Julia Martin, fort.

Wirkungsvoller als Photosynthese

Schließlich gelang es nach mehrjähriger Arbeit, die Reaktion im Labormaßstab auf eine Ausbeute von 40 Prozent zu verbessern und die theoretischen Hintergründe der biochemischen Abläufe aufzuklären. „Im Vergleich zur komplexen Photosynthese, in der die Natur ebenfalls auf biokatalytischem Wege CO2 als Baustein in Biomoleküle einbaut, ist unser Verfahren hochelegant und einfach“, berichtet Arne Skerra. „Die Photosynthese verwendet 14 Enzyme und hat eine Ausbeute von nur 20 Prozent, während unsere Methode bloß zwei Enzyme benötigt.“
Das Grundmuster dieser neuartigen biokatalytischen Reaktion kann künftig als Vorbild für die industrielle Herstellung anderer wertvoller Aminosäuren fungieren, wie ebenso als Vorprodukt für Arzneimittel. Inzwischen wurde das Verfahren patentiert und durch Protein-Engineering soweit verfeinert, dass es sich für großtechnische Anwendung eignet.
Dies wäre das erste Mal, dass es einen biotechnologischen Herstellungsprozess gibt, der gasförmiges CO2 als unmittelbaren chemischen Grundstoff nutzt. Alle bisherigen Versuche, das klimaschädliche Treibhausgas stofflich zu verwerten, scheiterten an dem extrem hohen Energieaufwand, der dazu nötig ist.

Foto: Wikimedia Commons