hands off © Tesla
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Als ich das erste Mal von Tesla hörte, war das im Zusammenhang mit der „irren Idee“ ein Elektroauto mit tausenden von Laptop-Batterien zu bauen. In diesen Zeiten kannte man Elektrofahrzeuge nur als Gabelstapler oder Golf-Caddys. Der erste Tesla Roadster war schon auf der Straße und das Model S existierte nur als Mockup im Maßstab 1:1.

Ich wußte nichts von Lithium-Ionen Batterien (obwohl mein MacBook welche hatte), der Begriff „Rekuperation“ war mir unbekannt genauso wie Elon Musk als Person.

Es war die Zeit als Apple seinen rasanten zweiten Aufstieg hatte, diesmal allerdings an die absolute Spitze, mit Innovationen wie dem iPhone und dem iPad. Beides wurde damals von den cleversten Insidern der IT-Industrie als kompletter Blödsinn abgetan. Steve Ballmer von Microsoft konnte sich vor Lachen über den Taschencomputer iPhone gar nicht mehr einkriegen.

Die Klimakrise war zwar für einige wenige Menschen präsent, der Löwenanteil der Weltbevölkerung scherte sich allerdings kaum darum.

Freiheit

Die Verkehrswende als Kampfbegriff war unbekannt. Sie wird allerdings heute gerne als solcher benutzt, aber meistens wird dabei vergessen, dass die überwiegende Majorität der Deutschen, ja der Weltbürger, zwar das Klima für wichtig hält, aber nicht auf den (zum Teil hart erkämpften) Wohlstand und die Freiheit jederzeit überall hin fahren zu können, verzichten möchte. 

Zur Freiheit gehört – zumindest in Deutschland – die vielbeschworene „freie Fahrt für freie Bürger“ auf Autobahnen aber auch die Hinwendung zu alternativen Antrieben. Wobei letztere bislang noch nicht im Mainstream angekommen sind, wenngleich der Zuwachs der Elektromobilität bis zum September 2021 beeindruckend war. Mit über 17 Prozent Marktanteil im vergangenen Monat bahnt sich langsam aber sicher eine kleine Revolution im Land der Petrolheads an.

Mobilitätsutopien

Allerdings ist auch eine andere Tendenz zu beobachten. Gewisse intellektuelle Kreise fangen an ihren Argwohn, über die Art zu leben, lauter und absoluter zu artikulieren. Einer ihrer Vertreter, der Soziologe und Politologe Harald Welzer, hatte gerade einen Auftritt bei Markus Lanz, der es in sich hatte.

Lanz zitierte aus seinem Buch: „Statt es für möglich zu halten, dass in Zukunft weniger Energie erzeugt und verbraucht wird, weil es z.B. keine Autos und Flugzeuge mehr gibt, werden um zwei Generationen zu spät gekommene Techno-Helden wie Elon Musk glühend verehrt, hofiert und mit Geld zugeschissen, obwohl sie nichts anderes zu bieten haben, als die Mobilitätsutopien der 1950er Jahre. Raketen, Autos und Hyperloops mit deren Hilfe man rasend schnell irgendwo hinkommen soll, ohne dass auch nur einmal die Frage gestellt wird, was man denn da eigentlich soll.“ (https://twitter.com/HaraldWelzer/status/1445900813587603456)

Die anderen Diskutanten hörten dann einem selbstverliebten Menschen zu, der nochmals einen draufsetzte. Vor allem am Beispiel Grünheide, das konnte man sehen, glühten die Augen des Autors, als er die Giga Berlin auch aus sozialen Gesichtspunkten ad absurdum führen wollte. Nach dem Motto „Mitarbeiter produzieren Teslas, die sie sich nicht mal leisten können“.

Fanblase

Indes, die Deutschen bestehen eben nicht nur aus abgehobenen „Dichtern und Denkern“, sondern auch aus Pragmatikern, Ingenieuren und Innovatoren. Gottseidank, möchte man fast sagen. Grünheide feierte am Samstag den 10. Oktober einen (Neudeutsch) County Fair, einen Tag der offenen Tür. Weitgehend unbeachtet in der Mainstream-Presse sprach Elon Musk vor einer johlenden Fanblase, die bei einer Führung durch die Fabrik sehen konnte, dass alles auf Start steht. „Nur“ die finale Genehmigung steht noch aus. Die könnte dauern, denn nun müssen noch Online-Einsprüche diskutiert werden. Der Starttermin Ende November, Anfang Dezember wurde deshalb gerade wieder einkassiert.

Zurück zu Welzer. Stellen wir uns doch mal vor, was passieren würde, mit einer Welt, die bald 10 Mrd. Menschen und mehr zu ernähren hat. Wenn NICHT technik- und wissenschaftsgläubige Menschen versuchen würden, hier etwas zu ändern, sprich gegenzusteuern? Wenn keine Forschung nach besseren, sauberen Energiequellen mehr existiert? Wenn interkulturelle Begegnungen auf der Erde nur noch rationiert und per Zoom gemacht werden können, weil das Flugzeug geächtet ist und der Individualverkehr verschwunden ist. Wenn Forscher nicht in der Lage wären eine Pandemie wie Corona in Rekordzeit durch globale Kollaboration zu bekämpfen? Natürlich mit Technik und Hilfsmitteln, die einem Politologen völlig fremd vorkommen mögen.

Irgendein Wissenschaftler sagte mal, dass der Wohlstand direkt abhängig ist vom Preis für Energie, vulgo Strom. Heutzutage müsste noch das Wörtchen „saubere“ eingefügt werden. In einer Welt des 21. Jahrhunderts dürfte kaum weniger Energie verbraucht werden, im Gegenteil. Eine weitere Elektrifizierung der Gesellschaft und Industrie wird den Energieverbrauch sogar in die Höhe schnellen lassen. Und auch „Techno-Helden“ wie Elon Musk lassen sich Gottseidank nicht von gewissen Soziologen und Politologen beeinflussen. Sie machen, statt zu schwätzen. Sie bringen die Menschheit weiter, möglicherweise sogar bis zum Mars und darüber hinaus.

Crazy ones

Womit wir bei der berechtigten Frage angelangt sind, „was man da eigentlich soll“? 

Ich möchte das mit einigen Gegenfragen beantworten: was sollten wir auf den Bergen? Unter der Meeresoberfläche? In fremden Ländern? Auf dem Mond? In Bielefeld*? Vielleicht hätte es Welzer gut getan, mal in sich zu gehen und ein bißchen die Geschichte der Menschheit zu studieren. Ein Tipp wäre „Der Aufstieg des Menschen“ von Jacob Bronowski.

Fragen wurden nämlich immer gestellt – sie sind und waren der Antrieb der menschlichen Entwicklung. Oft wurden sie aber vom Mainstream nicht verstanden, für verrückt erklärt. Kopernikus, Carl Benz, Einstein, Dylan, Luther King, Lennon, Ali, Oppenheimer, Gandhi und ja, schließlich auch Jobs und Musk, um nur einige zu nennen. 

„Here’s to the Crazy Ones.“

Die legendäre Apple-Werbung anlässlich der Rückkehr von Jobs in den 90er-Jahren 

*) Laut einem Internethoax aus den Neunziger Jahren hat Bielefeld nie existiert. (Die Bielefeld-verschwörung).

Zu dieser Rubrik:

In einer wöchentlichen Kolumne, abwechselnd geschrieben von Bert Overlack, Eveline van Zeeland, Eugène Franken, Helen Kardan, Katleen Gabriels, Carina Weijma, Bernd Maier-Leppla und Colinda de Beer versucht Innovation Origins herauszufinden, wie die Zukunft aussehen wird. Diese Kolumnisten, manchmal ergänzt durch Gastblogger, arbeiten alle auf ihre Weise an Lösungen für die Probleme unserer Zeit.