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Lebensmittel, die weggeworfen werden, weil sie nicht mehr verkauft werden können oder aus unseren Kühlschränken in den Mülleimer wandern, nur, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, sind eine Bedrohung für die Nachhaltigkeit unserer Ernährungssysteme. In der EU sind das pro Kopf zwischen 95 und 115 kg/Jahr.

Laut Zahlen der Welternährungsorganisation FAO betragen die gesamten Lebensmittelverluste jedes Jahr weltweit rund 1,3 Milliarden Tonnen – von der Produktion über den Handel bis zum Endverbraucher. Diese, nicht mehr für den menschlichen Verzehr geeigneten Lebensmittel, werden bestenfalls kompostiert, als Tierfutter oder zur Energieerzeugung in Biogasanlagen genutzt.

Insekten als Abfallverwerter

Eine neue vielversprechende Möglichkeit, Lebensmittelabfälle nachhaltig zu verwerten, ist, Insekten damit zu füttern – die dann zum Beispiel wieder selbst als Futter für Nutztiere dienen können. Anders als Tiere herkömmlicher Tierzucht, wie beispielsweise Geflügel, sind Insekten weit bessere Futterverwerter, brauchen weniger Platz, Wasser und Futter und bewirken weit geringere Effekte auf die Umwelt.

„So verursacht die Produktion von 1 kg Grillen nur etwa 0,3 % der Treibhausgasemissionen im Vergleich zu Geflügel“, erklären die Wissenschaftler des ATB. Die Tiere selbst würden sich aufgrund ihrer hochwertigen Inhaltsstoffe für die Ernährung von Mensch und Tier eignen, könnten aber auch für die Produktion von Non-Food-Produkten, wie Biotreibstoff, Pharmazeutika oder Farbstoffen, genutzt werden.

Futterzusammensetzung mit Auswirkungen auf Wachstum

Dank ihres schnellen Wachstums könnten Insekten in kurzer Zeit große Mengen Lebensmittelabfälle effizient verwerten. „Der Erfolg der Insektenproduktion auf Basis von Abfällen ist abhängig von der Insektenart, den Haltungsbedingungen und insbesondere der Zusammensetzung und Konsistenz des Insektenfutters“, sagt fasst ATB-Wissenschaftlerin Dr. Shikha Ojha. „Variiert die Futterzusammensetzung, wie bei Bioabfall üblich, kann dies große Auswirkungen auf die Wachstumsraten der Tiere, deren Entwicklungszeit und die nachgeschaltete Verarbeitung haben, was eine stabile Prozesssteuerung zu einer Herausforderung macht.“

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Anzucht von Grillen im Brutschrank. Foto: Schwab © ATB

In der Verfahrensgestaltung der Insektenproduktion sowie in der Nachernte im Bereich der Lebensmittelsicherheit besteht laut Aussagen der Wissenschaftler allerdings noch Forschungsbedarf. So könnten physikalische und biologische Behandlungen des Abfalls – wie Homogenisierung und Fermentation – zum Beispiel die Verdaulichkeit und die Bioverfügbarkeit von Nährstoffen für die Insekten verbessern. Aktuell stehen hier Verarbeitungstechniken nach der Ernte wie Blanchieren und Trocknen ebenso wie neue Verfahren wie der Einsatz von Plasma-, Hochspannungsimpuls- und Ultraschalltechnologie im Mittelpunkt der Forschung.

In Studien am ATB zeigte sich dabei, dass eine Behandlung von Mehlwürmern mit Plasma die mikrobielle Belastung reduzierte und gleichzeitig die techno-funktionellen Eigenschaften des Produkts verbesserte. „Der Einsatz neuartiger Vorbehandlungen in Kombination mit Extraktionstechnologien kann die Wiedergewinnung von Schlüsselmakromolekülen aus Insektenmatrices verbessern.“

Abfälle werden zu Dünger

Weiterer Forschungsbedarf bestehe außerdem bei der Bewertung der Umweltauswirkungen einer Insektennutzung für Lebens- und Futtermittelproduktionssysteme, betont das Potsdamer Forscherteam. In jüngsten Studien zeigte sich, „dass die Produktion von Insektenbiomasse doppelt so nachhaltig ist wie die von Hühnerfleisch“. Die Umweltbelastung sei zwar wesentlich geringer, dennoch müsse die Verwertung von Abfallströmen bei der Bewertung stärker berücksichtigt werden. „Eine klimafreundliche Verwertung von Bioabfällen durch Insekten zur Generierung hochwertiger Produkte entspricht in idealer Weise dem Konzept der zirkulären Ökonomie und kann dazu beitragen, unser Ernährungssystem nachhaltiger zu gestalten“, sagen die Forscher.

Denn auch die Züchtung von Insekten mit Lebensmittelabfällen geht nicht ganz ohne weitere Abfälle vonstatten. Es bleiben organische Abfälle aus nicht genutztem Futter, abgeworfene Häute und Ausscheidungen übrig. Diese können aber als Dünger in der Landwirtschaft genutzt werden – ganz im Sinne einer Kreislaufwirtschaft.

Die ATB-Forscher haben ihre Erkenntnisse in einem Review-Artikel im Fachblatt Waste Management veröffentlicht.

Titelbild: Plasmabehandlung zur Hygienisierung von Mehlwürmern. Foto: Rumposch © ATB