© Formula Student Germany
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Wie baut man einen Rennwagen? Wie leitet man ein Team? Was gehört überhaupt dazu, ein Auto zu bauen und auch zu verkaufen? Wie wirtschaftet man am besten? Wie funktioniert Marketing? Auf der Playstation und X-Box kann man schon seit Langem Teamchef eines Rennstalls spielen oder auch seinen Wunschrenner selbst mit Teilen bestücken und abstimmen. Aber das ist eben alles nur ein Spiel. Seit 2006 findet jedes Jahr am Hockenheimring die Formula Student Germany (FSG) statt, und da können ehrgeizige Studenten aus der ganzen Welt in der wahren Welt zeigen, was sie können. In diesem Jahr geht es vom 5. bis 11. August wieder darum, wer in den verschiedenen Disziplinen den besten Job gemacht hat.

Dieser internationale Konstruktionswettbewerb wird vom Formula Student Germany e.V. unter der Schirmherrschaft des Vereins Deutscher Ingenieure e.V. ausgerichtet und basiert auf der US-amerikanischen Formula SAE, die bereits 1981 ins Leben gerufen wurde. Ziel des Wettbewerbs ist es, als Team einen Formelrennwagen zu konstruieren und zu bauen. Der Wettbewerb soll als Ergänzung zum Studium dienen. Neben dem reinen Rennwagenbau geht es um Präsentationstechniken und darum, wirtschaftlich zu arbeiten, also die Herstellungskosten und darum, einen Kosten- und Businessplan zu erstellen. Darüber hinaus werden natürlich auch auf der Strecke verschiedene Disziplinen bewertet wie Beschleunigung, Effizienz, Langstreckenfähigkeiten, Skid-Pad oder Autocross. Sieger ist am Ende nicht das Team mit dem schnellsten Auto sondern das mit dem besten Gesamtpaket aus Leistung, Konstruktion, und Finanz- und Absatzplanung.

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Kein Spiel

Die Formula Student ist kein Spiel, wie einer der ehemaligen Teilnehmer, Joe Martin, Project Coordinator – R&D bei ZF in Friedrichshafen, betont. „Ein ordentliches Formula Student Team ist ein kleines Unternehmen für sich“, schreibt Martin in seinem Blog auf LinkedIn. „Das Team muss sich selbst verwalten, finanzielle Mittel finden und sein Budget verwalten, Talente rekrutieren, ein ganzes Fahrzeug entwerfen und produzieren, Sponsoren und Lieferanten managen und einen langfristigen Plan entwickeln.“ Und da trennt sich schon die Spreu vom Weizen, denn natürlich sind die Studenten noch keine Profis. Die Teams, die Jahr für Jahr zu den Favoriten zählen, würden aber „ähnlich wie kleine Unternehmen geführt“, betont Martin.

Als Teil eines Teams müssten die Studenten all diese Aspekte lernen und beherrschen. Wenn sie sich nur auf wenige Bereiche konzentrieren und andere beiseite lassen, könnte das langfristige Auswirkungen für das Team haben. „Stellen Sie sich vor, Ihr gesamtes Personal arbeitet mit einem 2-4-Jahres-Vertrag und muss seine Fähigkeiten und Kenntnisse in einem so kurzen Zyklus immer wieder ergänzen. Das Team, das es gut macht, hat einige wirklich innovative Fahrzeuge und führt die Rangliste mehr als nur ein paar Saisons lang an.“

Ihm persönlich habe die Formula Student Germany bezüglich Kenntnisse über Technik, Teamarbeit, Projektmanagement und Autos mehr gebracht als er es im Rahmen seines Studium jemals hätte lernen können, erklärt Martin. Außerdem biete sie „ein hervorragendes Format für Unternehmen, um genau die Art von jungen Talenten zu finden, die sie brauchen.“

Mehr Raum für Design als in der Industrie

Bis 2009 bauten die Studenten ausschließlich Autos mit Verbrennungsmotoren. Mittlerweile ist der Wettbewerb geteilt in die „Formula Student Combustion“ (FSC), die „Formula Student Electric“ (FSE) und die „Formula Student Driverless“ (FSD). In der FSE müssen die Teams ein rein elektrisch angetriebenes Fahrzeug zu konstruieren. Dabei haben die Studenten bezüglich Gleichstrom, Wechselstrom oder Anzahl der Motoren freie Hand, nur die maximale Spannung ist auf 600 V DC, die maximale Leistung auf 80 kW begrenzt.

„De Wettbewerb passt sich ständig an und entwickelt sich weiter, um den neuesten Herausforderungen der Automobilindustrie gerecht zu werden“, schreibt Joe Martin. „Von reinen Verbrennungsfahrzeugen über Elektrofahrzeuge bis hin zu völlig autonomen Rennwagen. Teams haben mehr Raum für Design, als sie in jeder anderen Rennserie oder sogar in der Industrie finden werden.“

Gleichzeitig müssten sie aber ein komplettes Fahrzeug liefern und in allen Disziplinen gute Leistungen bringen. Sie dürften sich nicht nur auf die Entwicklung des coolsten, leichtesten Bremssystems aller Zeiten konzentrieren und alle anderen Bereiche vernachlässigen. So würden sie nämlich diesen Leistungsgewinn in anderen Bereichen wieder verlieren. „Neben den Anforderungen an ihre technischen Fähigkeiten und ihr Können als Ingenieure verlangt der Wettbewerb, dass sie lernen, sich selbst so zu managen, dass sie ihrem übergeordneten Ziel näher kommen“, so Martin. „Um das zu erreichen, haben die besten Teams ein besseres Verständnis für die Systemtechnik als einige Projekte im Automobilbau.“

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Joe Martin ist 2019 kein Teilnehmer mehr sondern einer der Wertungsrichter im Bereich Design, dessen Aufgabe darin besteht, „die Qualität der Ingenieursarbeit hinter dem Auto zu bewerten und nach Möglichkeit Ratschläge zu geben“, schreibt er. „Zweitens geht es darum, von den Studenten zu lernen, die oft Kenntnisse oder Konzepte haben, in die sie einen viel tieferen Einblick haben als einige Richter. Aber wir sind auch da, um nach zukünftigen Talenten zu suchen. Und könnte man sich einen besseren Ort vorstellen? Über 1.000 motivierte junge Menschen, die während des Studiums ihre Freizeit nutzen, um zu lernen, wie man ein eigenes Auto konstruiert, baut und fährt.“ Dieser Hintergrund sei für die Arbeitgeber von unschätzbarem Wert, betont er. „Ich glaube wirklich, dass sie sich schneller als die meisten anderen in ihren neuen Aufgaben einarbeiten und eine Reihe von Fähigkeiten mitbringen, die weit über das hinausgehen, was wir normalerweise von jemandem erwarten würden, der gerade sein Studium abgeschlossen hat.“ ZF hat aktuell mehr als 150 Formula Student Alumni im Unternehmen.

Neun Disziplinen

Aufgeteilt ist der Wettbewerb der Formula Student in insgesamt neun Disziplinen, drei statische und sechs dynamische. Zu Beginn müssen die Studenten eine achtseitige technische Beschreibung ihres Autos einreichen, FSD-Teams zusätzlich eine maximal fünfseitige Beschreibung des autonomen Systems. Auf dieser Grundlage bewertet die Jury das Layout, die technische Auslegung, den Bau und die Umsetzung der Produktion des eigentlichen Fahrzeugs. Anschließend müssen die die Teams vor den Richtern die technischen Details ihrer Konstruktionen und die Gründe für das gewählte Design erklären. Die Bewertung erfolgt aufgrund der Qualität der betreffenden technischen Lösung und der Gründe dafür.

Die zweite der statischen Disziplinen ist eine Kostenanalyse, die die Teams erstellen müssen, inklusive der kalkulatorischen Größe des Fahrzeugs, seiner Komponenten und der notwendigen Fertigungsschritte. Dazu kommt erneut eine Befragung durch die Richter zum Kostenbericht über ihren Prototyp beantworten. Als nächstes müssen die Teams ihren Businessplan für den gebauten Prototyp einem fiktiven Unternehmens vorstellen, das durch Richter vertreten wird. Dabei müssen die Teilnehmer zeigen, warum ihr Design die Anforderungen ihrer Zielgruppe am besten erfüllt und wie es erfolgreich vermarktet werden kann.

Die dynamischen Disziplinen starten mit der Bewertung der Beschleunigung des Fahrzeugs aus dem Stand über eine 75 Meter lange Gerade. Hier zählt neben der Traktion die richtige Motorkonstruktion bezüglich mehr Leistung oder eines möglichst hohen Drehmoments. Beim Skid Pad-Event müssen die Autos zwei 8er-Runden eines mit Pylonen markierten Parcours fahren ohne Pylonen umzuwerfen. Die Rundenzeit der zweiten Runde gibt einen Vergleichswert für die maximal mögliche Querbeschleunigung des Fahrzeugs an.

Höhepunkt Langstereckenrennen

Im Autocross-Event fahren die FSC- und FSE-Fahrzeuge eine ein Kilometer lange Strecke mit Geraden, Kurven und Schikanen. Die FSD-Fahrzeuge fahren eine eine 500 Meter lange Strecke. Je schneller die Runde absolviert wird, desto besser ist die Fahrdynamik, das Handling und die Beschleunigungs- und Bremsfähigkeit des Autos. Die Rankings der Autocross-Veranstaltung bestimmen die Startpositionen für den anschließenden Langstreckenwettbewerb.

Bei diesem Langstreckenwettbewerb (nur FSC und FSE) müssen die Autos auf 22 Kilometern ihre Zuverlässigkeit beweisen. Außerdem geht es um Beschleunigung, Geschwindigkeit, Handling, Dynamik, Kraftstoffverbrauch. Der sogenannte Track Drive ist der Langstreckenwettbewerb der FSD-Autos, die ihre Haltbarkeit unter Langzeitbedingungen über zehn Runden unter Beweis stellen müssen.

Während dieser Langstreckenwettbewerbe wird auch der Kraftstoff- bzw. Energieverbrauch gemessen, der allerdings nicht absolut sondern im Verhältnis zur Geschwindigkeit in Bezug gesetzt wird. So will man verhindern, dass Teams besonders langsam fahren, um in der Effizienzklasse möglichst gut abschneiden zu können. Am Ende des Wettbewerbs gewinnt das Team, das die höchste Punktzahl aus der möglichen Gesamtpunktzahl von 1.000 Punkten erreicht hat.

Neben der Formula SAE und der Formula Student Germany gibt es die Formula Student übrigens auch in Australien, Japan, Brasilien, Großbritannien, Italien, und Österreich.