© Fraunhofer IPA/Rainer Bez
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Die Industrie und hierbei insbesondere produzierende Unternehmen, haben einen gigantischen Stromverbrauch, der zum großen Teil auch noch durch Energie aus fossilen Brennstoffen kommt. Ein Grund dafür ist, dass Fabriken mit Wechselstrom betrieben werden. Forscher der Fraunhofer-Institute für Produktionstechnik und Automatisierung IPA und für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB arbeiten nun daran, die Energieversorgung industrieller Produktionsanlagen langfristig auf Gleichstrom umzustellen.

„Die Gründe, in der Industrie von Wechsel- auf Gleichstrom umzustellen, sind vielfältig“, sagt Timm Kuhlmann, Wissenschaftler am Fraunhofer IPA in Stuttgart. „Im Alltag sind wir häufig mit Gleichstrom (auch DC, kurz für Direct Current, genannt) konfrontiert: Computer und Smartphones, aber auch LEDs arbeiten mit Gleichstrom und benötigen ein Netzteil, um diesen zur Verfügung zu stellen“, erläutert der Ingenieur. Auch bei der Stromerzeugung hätte sich die Situation geändert: Während beispielsweise Kohle- und Kernkraftwerke Wechselstrom (AC, kurz für Alternating Current) erzeugten, würden insbesondere lokal verfügbare erneuerbare Energieressourcen, wie Photovoltaikanlagen, „prinzipbedingt“ Gleichstrom zur Verfügung stellen. Ebenso wie auch elektrochemische Energiespeichersysteme.

Energiesparende alternative Antriebe in der Produktion

Im Rahmen des Projekts DC-INDUSTRIE 2 entwickeln die Fraunhofer-Wissenschaftler Forscher gemeinsam mit mehr als 30 Partnern „die industrielle Stromversorgung der Zukunft“, um letztlich alle elektrischen Anlagen der Fabrik über ein intelligentes DC-Netz zu koppeln. So soll die elektrische Versorgung energieeffizienter, stabiler und flexibler werden.

Aufgrund der Ergebnisse des Vorgängerprojekts DC-INDUSTRIE wissen die Forscher, dass eine dezentrale Energieflussregelung eines DC-Versorgungsnetzes in der Fabrik möglich ist. Durch den Übergang von Wechsel- auf Gleichspannung konnten außerdem Effizienzsteigerungen zwischen fünf und zehn Prozent erreicht werden. Das sei insbesondere darauf zurückführen, „dass die Nutzung von überschüssiger Bremsenergie drehzahlgeregelter Antriebe über ein Gleichspannungsnetz einfach möglich ist“.

Bis heute wurden vier Testanlagen mit DC-Komponenten unterschiedlicher Hersteller ausgerüstet und sind auch bereits in Betrieb. Nun gelte es, das erprobte Konzept für einen Maschinenverbund auf eine Produktionshalle zu übertragen, sagt Kuhlmann. „In dem Folgeprojekt DC-INDUSTRIE 2 wollen wir zum einen eine noch höhere Energieeffizienz erreichen, CO2-Emissionen reduzieren und zum anderen flexibel auf die Einführung klimaneutraler Technologien reagieren können. Mit einem lokalen Gleichstromnetz in der Fabrik kann man Energieschwankungen leichter ausgleichen, die beispielsweise wetterbedingt regenerative Energien oder zunehmende Schwankungen des öffentlichen Versorgungsnetzes mit sich bringen.“

Leistungs-elektronische Wandler und stationäres Batterie-Speichersystem am Fraunhofer IISB. © Fraunhofer/Bernd Müller

Da in der Produktion ein Großteil der eingesetzten Antriebe über Frequenzumrichter drehzahlgeregelt wird, werden diese Umrichter ebenfalls mit Gleichstrom versorgt. Um also für einen Elektromotor eine variable Spannung und Frequenz zur Verfügung zu stellen, müsse zunächst die Netzwechselspannung gleichgerichtet werden. „Mit dem Wegfall dieser Wandlungsstufe durch die direkte Versorgung des Frequenz-umrichters mit Gleichspannung lassen sich daher Energiewandlungsverluste einsparen und die Rückspeisung von Bremsenergie wird einfach möglich“, erklären die Forscher. „Ein weiterer Vorteil ergibt sich dadurch, dass gerade die Gleichrichterstufen zu einer starken Oberschwingungsbelastung des AC-Netzes führen, was aufwendige und kostenintensive Filtermaßnahmen notwendig macht, um die normativ geforderte Spannungsqualität sicherzustellen.“ Auf diesen Aufwand könne man bei einem DC-Netz verzichten.

Effiziente Energieversorgung mit DC-Smart-Grid

Bei der neuen Art der Energieversorgung ist die Lastflussaufteilung zwischen Speichersystemen, der Netzeinspeisung und erneuerbaren Energiequellen dezentral organisiert und basiert auf der Netzspannung als Indikator. „Das große Potenzial der Gleichstromversorgung in der Produktion liegt in der Kopplung aller elektrischen Anlagen der Fabrik zu einem intelligenten DC-Netz. Dieses ermöglicht es, die Verfügbarkeit und Qualität der elektrischen Versorgung vor Ort zu verbessern und so die Zuverlässigkeit der Produktion zu steigern“, sagt der Forscher vom Fraunhofer IPA, der im Projekt gemeinsam mit seinem Team für die Anforderungsanalyse der Unternehmen, den Transformationsprozess und das Netzmanagement verantwortlich ist. „Konkret etablieren wir Mikronetz-Topologien, sprich Regelungscluster, die es uns erlauben, Energiespeicherung, -erzeugung und -verbrauch vor Ort untereinander auszugleichen und zu koordinieren. Sie lassen sich autark betreiben“, so Kuhlmann.

Basis der neuen Netzstruktur sind eine oder mehrere Schnittstellen zum AC-Verteilnetz, die über aktive oder passive Gleichrichter die Gleichspannungsversorgung für die Produktionsanlagen bereitstellt. Alle installierten Verbraucher wie frequenzgeregelte Elektromotoren, die Beleuchtung und Prozesstechnologien würden direkt mit Gleichstrom versorgt und seien über ein gemeinsames Gleichspannungsnetz verbunden, das in einem Spannungsband von ±zehn Prozent um einen Nennwert von 650 Volt arbeite. So könne ein direkter Energieaustausch zwischen allen Antrieben, wie denen in Robotern oder Werkzeugspindeln, regelmäßig beschleunigt und gebremst werden. Teile, die sonst überflüssige Energie verbrauchen, wie zum Beispiel Bremswiderstände, fallen weg. “Wir können zwischen fünf bis zehn Prozent Energie einsparen, indem wir einfach Gleichstrom verwenden“, sagt Kuhlmann.

Erste Tests laufen bereits

Aktuell laufen in Versuchshallen sowie in der Factory 56 in Stuttgart/Sindelfingen bereits weitere Tests. Darüber hinaus sind aktive, bidirektionale Gleichrichter, sogenannte Active Infeed Converter, direkt am Netzanschluss angeschlossen und versorgen erste Anlagen mit DC-Strom. „Bidirektional bedeutet, dass man dem externen Wechselstromnetz Energie als Dienstleistung anbieten kann, wenn man große Erzeugungskapazitäten vorrätig hat. Es handelt sich also nicht um eine Einbahnstraße. Der Verbraucher profitiert vielmehr von der Energiewende in der Industrie 4.0“, so Kuhlmann.

Gefördert wird das Projekt, das bis Ende 2022 läuft, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie BMWi.

Titelbild: Im DC-Labor am Fraunhofer IPA wird die Gleichspannungsfabrik von morgen getestet. © Fraunhofer IPA/Rainer Bez