3D-Druck Brücke Striatos (c) Naaro
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Die 3D-gedruckte Betonbrücke einer schweizerisch-österreichischen Partnerschaft wurde von der Jury der britischen Architekturzeitschrift The Architects’ Journal einstimmig zum ersten Preisträger der AJ100-Innovation des Jahres gewählt. Die Jury lobte die leichte Konstruktion, die Verschwendung vermeidet. Und das Beste daran ist: Man kann die Brücke auch auseinandernehmen und an anderer Stelle wieder aufbauen.

Die 3D-Druck Brücke aus Beton wurde als Projekt Striatus für die Architektur-Biennale in Venedig errichtet und war bis November 2021 in den Giardini della Marinaressa ausgestellt. ‘Striatus’ bedeutet im Lateinischen soviel wie ‚mit Rillen versehen‘ und ist auf die produktionsbedingte Oberflächenstruktur von Beton 3D-Druck bezogen.

Es handelt sich um eine Fußgängerbrücke, die sich in gewölbter Form über eine Fläche von 16 mal 12 Meter spannt. Charakteristisch für die Form ist eine beidseitige Gabelung, wodurch die Brücke vier Zugänge hat. Um die Steigung begehbar zu machen, sind die Zugänge mit Holztreppen organisiert. Die Brücke ist eine Antwort auf die massiven CO2-Emissionen im Betonbau und wurde nach den Grundsätzen ‚Reduzieren, Wiederverwenden und Recyceln‘ entworfen.

Bauweise aus der Antike

Revolutionär an der 3-Druck Brücke ist die Kombination einer traditionellen Technik mit fortschrittlichen Computerdesign-, Ingenieur- und Roboterfertigungstechnologien. Das Brückengewölbe basiert auf einer traditionellen Bauweise, wie sie schon in der Antike angewendet wurde. Man denke an den Kuppelbau des Pantheon in Rom. Die Bögen wurden mit Hilfe von Methoden definiert, die ursprünglich für die statische Bewertung historischer Gewölbe aus Mauerwerk entwickelt wurden. Beispiele dafür sind Grenzwertanalyseverfahren, Gleichgewichtsmethoden sowie Schubnetzwerkanalyse.

An der Konstruktion der 3D-Druck Brücke waren die Block Research Group (BRG) der ETH Zürich und die Zaha Hadid Architects Computation and Design Group (ZHACODE) beteiligt. Die Umsetzung erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Innsbrucker Spin-off incremental3D (in3D) und dem Baustoffproduzenten Holcim. Das Lob der Jury: “Architekten neigen dazu, Innovation mit Apps gleichzusetzen … Was mir daran gefällt, ist, dass es sich um eine voll integrierte Sichtweise handelt, die von der Materialität über Druckstrukturen bis hin zur Ästhetik reicht und insgesamt eine massive Senkung der Materialkosten verspricht.”

3D-Druck Brücke Striatus (c) Naaro

Außerordentliche Effizienz

„Die außerordentliche Effizienz der Konstruktion erklärt sich aus dem additiven Fertigungsverfahren,“ so Johannes Megens, Co-Gründer von in3D in Innsbruck. Er war mit seinem Unternehmen an der Entwicklung der neuartigen Betondruck-Technik beteiligt. 3D-Druck ermögliche es, die Form zu optimieren. Die strukturelle Tiefe der Bauteile kann ohne massiven Querschnitt erreicht werden. Es werde nur dort Material eingesetzt, wo es strukturell notwendig ist. Dadurch sei die benötigte Materialmenge im Vergleich zum Gießen oder zu subtraktiven Herstellungsmethoden geringer. Zu den subtraktiven Fertigungsmethoden zählen Schleifen, Fräsen und Drehen. Der 3D-Druck von Beton kann den Materialverbrauch theoretisch um bis zu 70 Prozent senken.

53 individuelle Bauteile

In der Kombination von traditioneller Bauweise und innovativem 3D-Betondruck, wurde eine Tragfähigkeit erreicht, die man dem schlanken Designs nicht ansieht. Zurückzuführen ist dies auf 53 individuell konstruierte Bauteile, von denen jedes eine spezifische Geometrie und eine vorab definierte Position hat. Die Druckkräfte innerhalb der Tragstruktur entstehen durch die Geometrie und die Bauteile selbst, erklärt Megens. „Beton kann als Kunststein betrachtet werden, der unter Druck am besten funktioniert. In Bogen- und Gewölbestrukturen kann das Material genau so platziert werden, dass die Kräfte in reiner Kompression auf die Stützen übertragen werden“, so Megens.

Beton kann als Kunststein betrachtet werden, der unter Druck am besten funktioniert. In Bogen- und Gewölbestrukturen kann das Material genau so platziert werden, dass die Kräfte in reiner Kompression auf die Stützen übertragen werden.

Johannes Megens, Co-Gründer Incremental3D

Trockenmontage

Um die horizontale Schubkraft des Gewölbes einzufangen, bedarf es eines massiven Fundaments. Das Pionierprojekt Striatus war jedoch nur eine vorübergehende Installation. Deshalb wurde diese Funktion von fragmentarischen Elementen übernommen, die mit Stahlzugbanden verbunden waren. Mörtel braucht es für den Aufbau der 3D-Druck Brücke keinen. Die Blöcke wurden trockenmontiert. Zwischen den Blöcken werden Neoprenpölster angebracht, um lokale Unebenheiten auszugleichen und lokale Spannungskonzentrationen zu vermeiden. Eine Methode, die an die Verwendung von Bleiplatten oder Weichmörtel im historischen Mauerwerksbau erinnert.

3D-Betondruck-Technik

Im konventionellen Betonbrückenbau wird Stahlbewehrung eingesetzt, um die Tragfähigkeit zu erhöhen. Beton aus dem 3D-Drucker ist noch nicht bewehrbar – auch wenn es schon erste Ansätze gibt. Durch die traditionelle Bauweise und die eigens entwickelte 3D-Drucktechnik ist die notwendige Steifigkeit gegeben und die Bewehrung kann entfallen. Das sei insofern gut, als die CO2-Belastung durch die Bewehrung groß ist, erklärt Megens. Dessen Produktion lässt pro Masseneinheit mehr als zehnmal so viel Kohlenstoff entstehen, wie Standardbeton.

Bei der von in3D entwickelten 3D-Betondruck-Technik werden die Blöcke in Schichten und im rechten Winkel zu den wichtigsten strukturellen Kräften gedruckt, um Kompression zu erzeugen.

Geringe Bauzeit

Insgesamt dauerte der Bau der 3D-Druck Brücke, einschließlich des Gießens des Fundaments, der Montage sowie der Installation der Holztreppen und des Decks, nur 35 Tage. Der 3D-Betondruck geht relativ schnell. So dauerte die Herstellung aller 53 Blöcke nur 84 Stunden. Beim Pionierprodukt mussten die Blöcke noch in kontrollierter Umgebung gedruckt werden, weil es eine bestimmte Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit braucht. Allerdings gebe es schon die Diskussion, mobile Produktformen zu entwickeln, die lokal produziert werden können. Denn dann würden die Transportkosten entfallen und die CO2-Emissionen sinken.

Wiederverwenden und recyceln

Interessanter Nebeneffekt der Gewölbebauweise ist die leichte Abbaubarkeit. Wobei der Abbau gleich erfolgt wie der Aufbau. Man hebt die Brücke leicht an, damit sich die Blöcke lösen und leicht entfernen lassen. Dadurch könnte die Brücke andernorts neu aufgebaut werden. Die Konstruktion gewährleistet, dass die 3D-Blöcke während ihrer Nutzung geringer Belastung ausgesetzt sind. Die strukturelle Integrität bleibt gewahrt. Die externen Verbindungselemente sind gut zugänglich und können leicht gewartet werden. Das führt zu einer längeren Lebensdauer der gesamten Struktur.

Durch den Wegfall der Stahlbewehrung besteht die 3D-Druck Brücke ausschließlich aus dem Werkstoff Beton. Die Blöcke können also problemlos gebrochen und recycelt werden.