Graphene ©KTH/Aachen Graphene & 2D Materials Center
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Ein internationales Team aus Wissenschaftlern der Königlich Technischen Hochschule (KTH) in Stockholm und des Aachen Graphene & 2D Materials Centers entwickelte kürzlich den weltweit kleinsten Beschleunigungssensor. Dies könnte ein sensationeller Durchbruch in der Sensor- und Navigationstechnologie werden. Als Basis nutzte das Team die herausragenden mechanischen und exzellenten leitenden Eigenschaften von Graphen. Zudem kommt bei der Entwicklung auch die ultradünne Schichtstruktur des Materials entgegen.

Xuge Fan, KTH Stockholm ©KTH/Aachen Graphene & 2D Materials Center

„Die Zukunft für sehr kleine Beschleunigungssensoren ist vielversprechend“, erklärt Xuge Fan vom Institut für Micro- und Nanosysteme der KTH Stockholm. „Solche Sensoren können bei Handys die Navigation verbessern, als Schrittzähler und in Mobile Games Anwendung finden sowie in Überwachungssystemen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt werden. Des Weiteren können sie als Grundlage von Motion-Capture-Wearables dienen, mit denen kleinste Bewegungen des menschlichen Körpers erfasst werden.“ Und Fan ergänzt: „Ebenso sind solche NEMS-Transducer als Basis für die Charakterisierung der mechanischen und elektromechanischen Eigenschaften von Graphen nutzbar.“

Nach MEMS folgen NEMS

Denn während seit mehreren Jahrzehnten mikroelektromechanische Systeme (MEMS) eine wichtige Basis für Innovationen in der Sensor- und den Medizintechnologie bildeten, wird nun mit nanoelektromechanischen Systemen – kurz NEMS – die nächste Entwicklungsstufe erreicht.

NEMS ©KTH/Aachen Graphene & 2D Materials Center

Dazu Professor Max Lemme, Inhaber des Lehrstuhls für Elektronische Bauelemente der RWTH Aachen und Geschäftsführer der AMO GmbH:

Die erste Idee zu Sensoren aus Graphen-Membranen kam uns ca. 2012. Die ersten Ergebnisse wurden dann in den folgenden Jahren veröffentlicht. Die Idee zu diesem konkreten Beschleunigungssensor entstand dann auf Basis dieser Ergebnisse, etwa 2015.”

Und er ergänzt_

„Bereits in den letzten Jahren hat unsere Zusammenarbeit mit der KTH das Potenzial von Graphenmembranen für Druck- und Hall-Sensoren und für Mikrophone bewiesen. Nun wird das Anwendungsspektrum durch Beschleunigungssensoren ergänzt.“

Noch einige Schritte bis zur Produktion

Lemme ist optimistisch, dass das Material in einigen Jahren zur Marktreife gelangt:

“Um dies zu erreichen, arbeiten wir an industriekompatiblen Herstellungs- und Integrationsmethoden.“

Zudem freut sich der Professor über das gute Beispiel für die Arbeit am Aachen Graphene & 2D Materials Center – einem Konsortium der RWTH Aachen und der AMO GmbH:

„Die Forschung an Graphen und an zweidimensionalen Materialien ist durch die iterative Rückkopplung von Grundlagen- und angewandter Forschung gekennzeichnet. Wir versuchen beispielsweise erst jüngst entdeckte Materialeigenschaften sofort in Anwendungen umzusetzen – das ist es, was unsere Arbeit so spannend macht.“

Doch Lemme warnt vor zu viel Euphorie:

“Der Sensor ist ein Prototyp. Wir haben natürlich die Reproduzierbarkeit im Labor getestet und nachgewiesen, aber für eine Produktion sind noch viele Schritte notwendig.”

Wann nun tatsächlich einer von dem Konsortium entwickelten Sensoren auf den Markt kommt, ist noch ungewiss:

“Das hängt neben der technischen Verbesserung auch von kommerziellen Fragestellungen ab. Außerdem muss die Graphen-Technologie unabhängig von der Anwendung auf  einen produktionsfähigen Stand gebracht werden.”

Zu dieser Fragestellung hatte das Team im Mai eine Übersicht in der Zeitschrift Nature Materials veröffentlicht. Und die nächsten Forschungsschritte beschreibt der Lemme wie folgt:

“Wir wollen im Rahmen des Graphen Flagship Projektes eine Pilotlinie für Protoypenfertigung entwickeln, zusammen mit Partnern in Belgien, Finland, Spanien, England und Deutschland. Das würde es uns und unseren Industriepartnern ermöglichen, die Graphen-Technologie auf einen wesentlich höheren Technologiereifegrad zu bringen. Das ist unabdingbar, um Graphen in Produkte in der Nanoelektronik, Photonik und Sensorik zu bringen.”

Die aktuelle Arbeit würde kürzlich in der Fachzeitschrift „Nature Electronics“ veröffentlicht.

Gefördert wurde die Forschung vom Europäischen Forschungsrat durch die Starting Grants M&M’s (277879) und InteGraDe (307311), dem Schwedischen Forschungsrat (GEMS, 2015-05112), dem China Scholarship Council CSC (Scholarship Grant), dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (NanoGraM, BMBF, 03XP0006C), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG, LE 2440/1-2) und der Europäischen Kommission (Graphene Flagship, 785219).

 

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