Professor Christoph W. Sensen, Institute for Computational Biotechnology, TU Graz (c) TU Graz - Lunghammer
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Acht Prozent aller Todesfälle pro Jahr werden von einer Blutvergiftung ausgelöst, so die Statistik in Österreich. Eine Früherkennung könnte die Überlebenschance vieler Patienten erhöhen. Denn wenn die ersten Symptome auftreten, ist es oft schon zu spät. Jetzt entwickelten Grazer Forschende einen Test für die Früherkennung.

Eine Blutvergiftung kann viele Ursachen haben. Meist sind es Entzündungen, die durch Krankheiten oder Verletzungen entstehen. Beispiele dafür sind eine Lungenentzündung oder ein Tierbiss. Dabei können Bakterien, Pilze, Parasiten oder Viren in den Blutkreislauf gelangen und sich im Körper ausbreiten. Der Körper reagiert mit Abwehr. Werden dabei die eigenen Gewebe und Organe geschädigt, entsteht eine Blutvergiftung.

DNA-Moleküle senden frühe Signale

Schon lange bevor wir selbst die Krankheit bemerken, arbeitet der Körper daran, sich selbst zu reparieren. Das macht er, indem er Gene aktiviert oder stilllegt, defekte Zellen abbaut und neues Gewebe aufbaut. Dabei sendet er auch Signale aus. Solche Signale sind zum Beispiel DNA-Moleküle. Diese werden aus körpereigenen Zellen freigesetzt und zirkulieren im Blut. Andere Zellen erkennen sie als Botschaft zur Stimulierung einer Abwehrreaktion. Für Mediziner sind diese Signale aussendenden DNA-Moleküle Biomarker.

Forschende fanden heraus, dass sich diese Biomarker für die Früherkennung einer Blutvergiftung eignen. Der Grund: Sie können schon zwei bis drei Tage vor Auftreten der ersten klinischen Symptome mit hoher Genauigkeit diagnostiziert werden.

Die Forschenden fokussierten die Blutvergiftung, die durch Bakterien oder Pilze hervorgerufen wird. Dabei identifizierten sie 24 Biomarker, die Blutvergiftung in einem früheren Stadium als bisher nachweisen können. Das erklärt Professor Christoph W. Sensen, Leiter des Instituts für Computational Biotechnology an der TU Graz.

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Unterscheidung in drei Fälle

Sensens Team entwickelte die Algorithmen, mit denen die Biomarker identifiziert werden. Dazu nutzten sie anonymisierte Plasmaproben von gesunden und erkrankten Personen. Bei erkrankten Personen wurde entweder ein Lymphom oder eine Influenza diagnostiziert; letzteres ist eine Erkrankung, deren Symptome der Blutvergiftung teilweise ähneln.

Mit den Algorithmen konnten die Biomarker zur Früherkennung von Blutvergiftung schlussendlich identifiziert werden und ein beispielloser Satz Biomarker entwickelt werden. Der Datensatz kann zwischen drei Fällen unterscheiden:

  • ein frühes Stadium von Blutvergiftung;
  • erste klinische Anzeichen bei gesunden Personen;
  • andere Krankheiten;

Hohe Diagnosegenauigkeit

Die Biomarker wurde für eine bestimmte Patientengruppe entwickelt. Innerhalb dieser betrug die Diagnosegenauigkeit knapp 90 Prozent im Zeitraum von zwei Tagen vor den ersten klinischen Anzeichen bis zwei Tagen nach der Diagnose mit den Standardmethoden. In Blindstudien mit Patienten, die nicht in die Entwicklung der Biomarker einbezogen wurden, betrug die Genauigkeit bis zu 81 Prozent. Mit Hilfe dieser Methode kann eine Blutvergiftung also wesentlich früher diagnostiziert werden, als mit jeder anderen Methode, erklärt Sensen.

Neuer Echtzeit PCR-Test

Im Zuge ihrer Studien entwickelten die Forschenden auch eine neue Form eines quantitativen Echtzeit-PCR-Tests. PCR steht für Polymerase-Kettenreaktion, ein Verfahren zur Vervielfältigung von Nukleinsäure. PCR-basierte Tests sind am Markt schon jetzt erhältlich. Mit ihnen wird die DNA oder RNA eines Infektionserregers in einer Blut-, Plasma- oder Serumprobe vervielfältigt, wodurch sich Bakterien oder Pilze direkt nachweisen lassen. Angesichts der Vielzahl möglicher Erregerspezies ist dies allerdings nur sehr eingeschränkt möglich und daher sehr ungenau. Der neu entwickelte Test der Grazer Gruppe konzentriert sich hingegen auf die körpereigenen Signale: Diese sind um einiges genauer und früher messbar, als es der direkte Nachweis von Erregern erlaubt.

Sensen hofft, dass die Tests bald großflächig zum Einsatz kommen. Die Zulassungen der Verfahren wurden bereits beantragt: Sowohl für die Vereinigten Staaten als auch für Europa. Allerdings bringe die Corona-Pandemie den Zeitplan etwas ins Wanken. Die US-amerikanischen Krankenhäuser können momentan keine Plasmaproben liefern, erklärt Sensen.

Früherkennung bei COVID-19

Er sieht im Test zur Früherkennung von Blutvergiftung aber auch Potenzial für die Behandlung von COVID-19. Studien aus China belegen, dass auch schwer an COVID-19 Erkrankte im Endstadium oft eine Blutvergiftung aufweisen – als Sekundärerkrankung. Deshalb möchten Sensen und sein Team ihr Forschungsprogramm erweitern. Sie möchten diagnostische Werkzeuge entwickeln, welche die Folgen der Infektion für die Betroffenen verringern. Hochrisikopatienten sollen schneller erkannt werden und ein frühzeitiges Eingreifen bei den ersten Anzeichen von Blutvergiftung ermöglicht.

Die Projektpartner

Am Projekt beteiligt sind folgende Einrichtungen:

Publikationen

Die Arbeit wurde in zwei Artikeln im Journal of Biotechnology (Elsevier) veröffentlicht:

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