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Ganz gleich, ob 40 oder 50 Mikrogramm Stickoxid, ob die Fahrverbote für Dieselfahrzeuge kommen und wie umfangreich sie ausfallen, derzeit scheint eins ganz klar: Die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs wird elektrisch sein. Die elektrisch angetriebenen Fahrzeuge versprechen Abhilfe, nicht nur bei den derzeit am heißesten diskutierten Schadstoffen wie Stickoxid, CO2, Feinstaub. Zeit wird’s, auch wenn die EU-Umweltagentur mit ihren geschätzten 10.000 Menschen, die innerhalb eines Jahres allein in Deutschland und allein wegen der Luftverschmutzung mit Stickoxid vorzeitig sterben sollen, womöglich über das Ziel hinausschießt.

Obus für Reichweite und Einsatzzeit

Rein batteriebetriebene Busse bringen die hinlänglich bekannten Probleme mit sich: Reichweite und Ladezeit. Im Vergleich zum Dieselkraftstoff bringt eine aktuelle Batterie eine rund 100fach größere Masse mit. Das E-Fahrzeug kann also entweder deutlich weniger Menschen transportieren oder hat eine deutlich geringere Reichweite als das Dieselfahrzeug. Auch das Nachtanken der elektrischen Energie ist im Vergleich zum Diesel lähmend langsam: Eine Minute Diesel tanken entspricht beim Batteriebus etwa 100 Minuten Ladezeit. Genau an diesen beiden Punkten können Oberleitungsbusse entscheidende Vorteile ausspielen. Sie müssen zum Laden nicht stehen bleiben und die eingebaute Batterie – die kleiner ausfallen kann als beim reinen batteriebetriebenen Fahrzeug – verschafft ihnen deutlich größere Flexibilität gegenüber der Straßenbahn.

Es gibt sie noch, die “Stangentaxis” und “Strippenexpresses”

Hochkonjunktur hatten die Oberleitungs- oder Trolleybusse in Deutschland in den 50er und 60er Jahren. In den meisten Städten wurden sie nach und nach von den klar flexibleren Dieselbussen ersetzt. Von den übriggebliebenen O-Bus-System hat das in Eberswalde die längste Tradition. Hier fährt der sogenannte „Strippenexpress“ seit 1940. In Esslingen am Neckar wurden sie 1944 in Dienst gestellt. Die Solinger „Stangentaxis“ kamen 1952 dazu. Seitdem wurde in diesen Städten das rollende Material immer wieder erneuert und modernisiert.

Auch ein Blick auf internationale Projekte zeigt, dass der Obus längst nicht tot ist. Die meisten Städte in Europa führten die System in den 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts ein. Darunter etwa Salzburg (1940), Arnheim (1949) oder Athen (1954). Neuprojekte stammen aber auch aus der neueren Zeit: Córdoba, Argentinien, führte 1989 den ersten ein, Pasardschik, Bulgarien, 1993, Quito, Ecuardor, 1995, Tateyama, Japan, 1996, Lecce, Italien, 2012, Marrakesch, Marokko, 2017 usw.

Fahren und laden, die wertvollste Ressource effizient nutzen

Batterie- und Ladekonzepte für E-Busse gibt es viele. Von Fahrzeugen, die ihr Streckenpensum mit einer einzigen Batterieladung absolvieren und über Nacht geladen werden, über die Flash-Ladung an Haltestellen bis zur Aufladung an den Endpunkten der Einsatzstrecken reicht das Spektrum. Allen gemeinsam ist, dass die Fahrzeuge beim Laden nicht fahren, sondern stehen. Damit verursachen sie in der Regel Doppelanschaffungen. Außerdem nutzen sie die in entwickelten Ländern wertvollste Ressource des Betreibers nur unzureichend aus, den Fahrer.

Oberleitungs- oder Trolleybusse werden während der Fahrt mit Strom versorgt. Eine besonders flexible Variante ist die Kombination aus Oberleitung und Batterie. Das bietet zum Beispiel das neue Ladekonzept In Motion Charging (IMC500) von Knorr-Bremse. Das System des Münchner Herstellers versorgt über die Oberleitung alle Teilsysteme des Fahrzeugs während des Fahrens und lädt gleichzeitig die Batterien auf. Auf oberleitungsfreien Strecken fährt der Bus dann mit Batteriestrom. Vorteile: Die Batterie kann kleiner ausfallen als beim reinen Über-Nacht-Lader, Standzeiten für das Aufladen können komplett entfallen. Außerdem gilt: Je höher die Ladeleistung, desto weniger Zeit benötigt das Fahrzeug unter der Oberleitung und desto weniger Oberleitung muss installiert werden. Beim IMC500 benötigt der Obus nur eine Oberleitungsstrecke von rund 20% der Gesamtstrecke. Damit lassen sich die Infrastrukturkosten weiter minimieren.

Kostengünstige Alternative zur Straßenbahn

Die neueste Errungenschaft im Obus-System in Linz: ein IMC500 Doppelgelenk-Trolleybus mit 24 Metern Länge und Platz für 180 Fahrgäste. So kommt der neueste Oberleitungsbus als kostengünstige Alternative zu einer Straßenbahn daher. Bis Ende 2018 sollen zehn bis fünfzehn weitere Obusse folgen. In Linz gibt es definitiv keine Diskussionen über Dieselfahrverbote.

 

Fotos:
Bernhard Terjung, www.bahnen-wuppertal.de
Knorr-Bremse