Tecnica Mach1: An den individuellen Fuß anpassbarer Skischuh © Tecnica
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Die Industrie hat sich auf die individuelle Anpassung des Skischuhs eingeschworen. Im Mittelpunkt der Verfahren steht die thermoplastische Behandlung der Kunststoffe: Sowohl Schale als auch Innenschuh sind durch Wärme und Druck an den Fuß anpassbar.

Viele Skifahrer haben Probleme den passenden Skischuh zu finden und klagen über Druckstellen und Blasen an den Füßen. Das hat einen Grund: Als Schnittstelle zwischen Körper und Ski bildet der Skischuh das Zentrum der Kraftübertragung und gibt Rückmeldung zur Pistenbeschaffenheit.

Der Skischuh soll den Fuß technisch unterstützen. Eine ideale Kraftübertragung ist allerdings erst dann gegeben, wenn der Skischuh eng am Fuß anliegt. Wenn der Fuß zu viel Spiel hat, geht Kraft verloren. Weil jeder Fuß individuell ist und die natürliche Anpassungsfähigkeit von Kunststoff mangelhaft, ging die Industrie zur individuellen Anpassung des Skischuhs über.

Thermoplastische Anpassung des Skischuhs

Im Mittelpunkt der Strategien für die Anpassung des Skischuhs stehen

  • Methoden der anatomischen Vorformung;
  • Kunststoffe, die in einem bestimmten Temperaturbereich formbar sind;

Teil der anatomischen Vorformung ist die Unterscheidung in drei Leistentypen: schmal, mittel und breit. Das Unternehmen Atomic gibt Details zur Materialflexibilität bekannt: Beim exklusiven Verfahren Atomic Memory Fit  lässt sich der Vorfußbereich um bis zu sechs Millimeter dehnen und der Bereich um das Fußgelenk um bis zu zehn Millimeter.

Im Verfahren lassen sich alle Elemente an den Fuß anpassen: Schale, Manschette und Innenschuh. Es ist der komplette Skischuh, der in einem Ofen bei einer Temperatur von hundertsiebzehn Grad Celsius erwärmt wird. In der Zwischenzeit werden die klassischen Druckstellen am Fuß mit Pads abgedeckt und eine Zehenkappe übergezogen – um die notwendige Bewegungsfreiheit zu schaffen. Anschließend steigt der Kunde in den Schuh und bleibt zwei Minuten stehen, damit sich die individuelle Fußform einprägen kann. Zum Aushärten wird der Schuhe für fünf Minuten in eine kühlende Hülle gewickelt.

Anpassbare Skischuhe aus der Serie Atomic Hawx sind um etwa 370 Euro im Handel erhältlich.

Memory Fit zählt zu den schnellsten Technologien der thermischen Skischuh-Anpassung. Aber kein Verfahren dauert länger als dreißig Minuten. Andere Verfahren haben

  • eine längere Härtungsphase;
  • Eine geringere Erwärmungstemperatur (achtzig Grad Celsius);

Bei Salomon werden Schale und Innenschuh separat geformt. Die Anpassung des Innenschuhs basiert auf einem thermisch formbaren Schaum. Im Anpassungsprozess wird dieser mit einem speziellen Fön erwärmt. Anschließend wird der Innenschuh in die Schale eingesetzt und der Nutzer muss circa zehn Minuten im Schuh stehen, bevor dieser dessen Fußform angenommen hat.

Punktuelle Anpassung des Skischuhs

Bei Nordica nimmt man bei der Erwärmung der Schale im Ofen eine Materialermüdung an und verfolgt eine alternative Strategie: Die kritischen Stellen werden punktuell mittels Infrarot-Heizelement und Saugnapf bearbeitet. Das Heizelement erwärmt den Kunststoff der Schale gezielt an den Druckstellen. Nach der Erwärmung wird ein Saugnapf luftdicht auf die Stelle aufgebracht und nach drei Minuten Wirkzeit wieder entfernt.

Teile des Innenschuhs sind aus einer Kork-/Hartz-Verbindung, die im Anpassungsprozess unterstützend wirkt. Trotzdem braucht es den Ofen, in dem der Innenschuh auf achtzig Grad erwärmt wird. Die Anpassung erfolgt wiederum in der Abkühlungsphase am Fuß des Nutzers. Der Prozess soll beliebig oft wiederholbar und auch auf die Füße verschiedener Nutzer anwendbar sein.

Innenschuh von Nordica
Der Innenschuh von Nordica. Die Kork-/Hartz-Verbindung unterstützt die Anpassung an die individuelle Fußform. © Vito Alberto Amendolara

Anpassung des Skischuhs durch Kompression

Fischer entwickelte mit Vacuum Fit ein kompressionsbasiertes Verfahren für den Anpassungsprozess. Nach Erwärmung der Schale im Umluftofen bei achtzig Grad, werden die Innenschuhe in die Schale eingesetzt und der Skischuh wird an den Füßen des Nutzers mit zwei etui-artigen Hüllen überzogen: einer abkühlenden und einer komprimierenden. Die Kompressionshülle wird mittels Schlauch an die Vakuumstation angeschlossen. Die Stärke der Kompression wird gemäß dem Fahrkönnen eingestellt. Nach sieben Minuten ist die Anpassung des Skischuhs abgeschlossen.

Analyse des Fußvolumens

Der Anpassung des Skischuhs geht in der Regel  eine Fußanalyse voraus, in der zumindest die Fußlänge und –breite erhoben werden. Tecnica verfolgt mit der Linie Mach1 ein anatomisches Volumenkonzept und berücksichtigt zusätzlich die Risthöhe. Das macht die Auswahl des geeigneten Skischuhs und dessen thermische Anpassung noch präziser.

Die Schale ist aus Polyether und kann im warmem Zustand in den kritischen Zonen in Form gedrückt werden. Die Feinabstimmung erfolgt durch Abschleifen.

Der Innenschuh besteht aus Mikrozellen in zwei verschiedenen Dichten. Zonen mit losen Strukturen sind nachgiebiger als solche mit dichten Strukturen. In seiner neuesten Version für Winter 2019/20 ist die Risthöhe verstellbar und auch Zungenkonstruktion und Fußgewölbe sind thermisch anpassbar. Zur Feinabstimmung können die kritischen Zonen in Form gedrückt und beschliffen werden.

Einblick in diesen Prozess erhalten Sie in diesen Videos: https://www.youtube.com/playlist?list=PLPOyuAVT1JF9gW528ngfuv_6UeQh325o1

Gewicht sparen

Die Skischuhe aus der Serie Tecnica Mach 1 sind an hochsportliche Fahrer gerichtet und verfügen über ein neues Konstruktionsdetail: Schale und Innenschuh sind im Wadenbereich an Innen- und Außenseite in unterschiedlichen Materialstärken gearbeitet. Die härtere Innenseite gewährleistet die direkte Kraftübertragung in der Schwungsteuerung. An der Außenseite konnten fünfzehn Prozent (300 Gramm) Gewicht eingespart werden. Dadurch ergibt sich eine asymmetrische Kraftübertragung und die Option eines schnelleren Bewegungswechsels.

Die Modelle der Serie Tecnica Mach1  sind um ca.  500 Euro im Handel erhältlich.

Anpassung der Innensohle

Noch bevor es zur Skischuh-Anpassung kommt, ist die Anpassung der Innensohle zu empfehlen. Experten betonen, dass diese die Passform wesentlich beeinflusst. Bootdoc behebt Passformprobleme mit Fußanalyse und den richtigen Einlagen. Eine Scan Station bietet die Möglichkeit der 3D-Fußanalyse und liefert die digitale Abbildung mit den für die Sohlenauswahl relevanten Daten: Fußlänge, und -breite sowie Form des Fußgewölbes. Je nach individueller Fußform bieten sich zwei Möglichkeiten:

  • Die spezifische Auswahl aus mehr als 35 Grundmodellen, die sich in Form und Material unterscheiden;
  • Eine maßgefertigte Einlage, für die erst ein Fußabdruck angefertigt wird, um dann aus einem Rohling eine dem Fuß entsprechende Einlage zu erstellen;

Einlage  im 3D-Druck

3D-Druck ist insbesondere bei Schuhen vielversprechend. Während die Serientauglichkeit noch nicht gegeben ist, nutzt man die Technologie bei Sport Egger in Dorf Gastein um eine Einlage zu realisieren. Das Prinzip läuft unter der Bezeichnung Easystand und basiert auf dem Extruderdrucker von Wanhao. Bemerkenswert an dem Prinzip ist die Umkehrung der konventionellen Stellung im Skischuh: der Stand der Zehe ist höher als jener der Ferse. Dadurch wird exakter Fersensitz, mehr Bewegungsfreiheit im Zehenbereich und präzise Schwungauslösung ermöglicht.

Beheizbarer Skischuh

Neben Druckstellen sind es kalte Füße, die Skischuhe zum Problem machen. Heizsysteme sollen Abhilfe schaffen. Das System von Salomon funktioniert ähnlich wie eine Fernbedienung für den Autostarter und kommuniziert mit dem Skischuh via App und Bluetooth. Die Batterien sind gut zugänglich an der Oberseite des Innenschuhs integriert und erzeugen eine homogene Wärme. Über die App kann der Nutzer den Start des Heizvorgangs schon am Vorabend programmieren und die Temperatur regulieren. Der Ladestatus ist direkt auf den Batterien abzulesen.

Der beheizbare Skischuh von Tecnica © Tecnica
Anpassbarer und beheizbarer Skischuh für Damen. © Tecnica

 

Hundert Prozent handgefertigt

Last but not least ist der hundert Prozent handgearbeitete Skischuh von Strolz zu erwähnen. Die kleine Manufaktur arbeitet mit Grundtypen von Holzleisten, deren Form mit Kork an jene des Nutzers angeglichen wird. Der Innenschuh wird aus elastischem und dauerhaftem Rindsleder aus vielen einzelnen Schnittteilen genäht. Am Ende des Fertigungsprozesses steht die Anpassung des Skischuhes, welche durch Schäumen am Fuß des Nutzers erfolgt.

Maßgefertigte Skischuhe von Strolz sind zu Preisen ab 700 Euro im Handel erhältlich.

Foto oben: anpassbarer Skischuh aus der Serie Tecnica Mach1 (c) Tecnica

 

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