Małgorzata Tomczak
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Die Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie haben in Deutschland gut gegriffen. Die Ansteckungen konnten unter Kontrolle gehalten werden und das Gesundheitssystem war zu keinem Zeitpunkt überlastet. Ziel erreicht. Zumindest das unmittelbar medizinische. Die negativen Auswirkungen des Lockdowns sind bekanntermaßen aber weitreichend. Nicht nur wirtschaftlich. Insbesondere die Kontaktbeschränkungen haben teilweise gravierende Auswirkung auf die Psyche der Menschen.

Eine Gruppe internationaler Wissenschaftler unter Leitung von Prof. Dr. Youssef Shiban hat sich in einem Forschungsprojekt der PFH Private Hochschule Göttingen genau mit diesem Thema beschäftigt. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass sich die „schweren Symptombelastungen“ bei Depressivität verfünffacht haben.

„Aktuelle empirische Untersuchungen zeigen, dass Quarantänemaßnahmen von psychologischen Auffälligkeiten wie Depressivität und Stressreaktionen begleitet werden können“, erklärt Dr. Youssef Shiban, Professor für Klinische Psychologie an der PFH. „Die zur Eindämmung von Covid-19 eingeführten Maßnahmen könnten somit mit erheblichen Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden verbunden sein, die höchstwahrscheinlich weit über die akute Krise hinweg bestehen bleiben werden.” Ziel der Studie sei es, „das Befinden der Bevölkerung während der Einschnitte durch die Covid-19-Pandemie in das gesellschaftliche Leben zu dokumentieren, die belastenden Faktoren zu untersuchen sowie den Einfluss von Resilienzfaktoren, wie z. B. hilfreichen Emotionsregulationsstrategien zu erforschen.”

Symptombelastung entscheidend angestiegen

Eine erste Auswertung der Daten von rund 2.000 Testpersonen lassen laut Aussagen der Forscher bereits einen Trend erkennen: Im Vergleich zu einer Normierungsstichprobe hätten sich deutliche Veränderungen bei der Symptombelastung der befragten Personen ergeben. Insbesondere für Depressivität konnten die Wissenschaftler einen deutlichen Unterschied im Vergleich mit den Stichproben vor der Pandemie erkennen. „Es ergibt sich eine Verfünffachung des Anteils an schwerer Symptombelastung im Vergleich zur Norm.“ Ähnliche Veränderungen gab es beispielsweise auch bei Essstörungen. Auch hier sei ein deutlicher Zuwachs bei einer mittleren und schweren Symptombelastung zu erkennen.

„Zu Beginn der Pandemie haben wir mit einem Anstieg psychischer Belastung durch die Beschränkungsmaßnahmen gerechnet. Jetzt deutet sich an, dass diese erheblich sein könnten“, betont Shiban. „Zur Einordnung kann man auf die Datenlage zu dem SARS-Ausbruch 2003 in Kanada schauen. In einer Studie von Hawryluck et al. (2004) zeigten sich bei 30 Prozent der von Quarantäne-Maßnahmen betroffenen Studien-Teilnehmer Symptome von Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen.”

Nationaler und internationaler Vergleich

Im Rahmen von Kooperationen mit der Universität Regensburg, der Inland Norway University of Applied Sciences und der Carleton University in Kanada nehmen die Wissenschaftler auch verschiedene Vergleiche vor. Zwischen den einzelnen deutschen Bundesländern ebenso wie einen internationalen Vergleich mit den Ländern Kanada und Norwegen. Die erhobenen Daten sollen die „Grundlage für weitere quantitative und qualitative Untersuchungen bilden. Dabei werden belastende und schützende Faktoren herausgearbeitet, um psychologische Handlungsstrategien für den Umgang mit der Pandemie abzuleiten.“

Die bisherigen Ergebnisse seien vorerst als Trend zu interpretieren, da es sich um eine laufende Studie handelt, sagt Shiban. „Wir streben eine baldige Veröffentlichung der Ergebnisse an, um Entscheidungsträgern einen frühestmöglichen Datenzugriff und auf deren Basis die Entwicklung geeigneter Strategien zu ermöglichen.”