Theresa Graalmann. / J. Grabowski © TWINCORE
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Für Menschen mit Autoimmunkrankheiten wie beispielsweise rheumatoide Arthritis oder multiple Sklerose ist es nach Impfungen oft schwierig, einen Schutz aufzubauen. Der Grund ist, dass die dazu nötigen Zellen des Immunsystems schlechter funktionieren oder sogar gar nicht vorhanden sind.

Wissenschaftler vom TWINCORE und der Medizinischen Hochschule Hannover haben nun aber offenbar einen Weg gefunden, immunsupprimierte Menschen trotzdem erfolgreich zu impfen. Sie empfehlen aufgrund der in einer Studie gewonnen Daten für Rheumapatienten, die mit dem Medikament Rituximab behandelt werden, eine vielversprechende Strategie für eine COVID-19-Impfung.

Ohne B-Zellen keine Bildung von Antikörpern

Bei Menschen mit Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis oder multipler Sklerose löst ihr körpereigenes Immunsystem Entzündungen aus. Sie werden in der Regel mit Medikamenten behandelt, die eine bestimmte Art der Immunzellen – sogenannte B-Zellen – entfernen. Genau diese B-Zellen spielen bei einer Infektion jedoch die wichtigste Rolle für die Produktion von Antikörpern gegen Krankheitserreger. Diese Personengruppe gehören also auch bei einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zur Risikogruppe. Dazu kommt, dass diese Patienten, bei denen die Produktion von B-Zellen unterdrückt wird, nach einer Impfung auch keine schützenden Antikörper bilden können.

Die Menschen sind also komplett auf einen anderen Zelltyp angewiesen, die zytotoxischen T-Zellen. Aber auch das kann problematisch sein. “Wir haben bei Patienten mit rheumatoider Arthritis gesehen, dass sie nach B-Zell-Depletion auch eine schlechtere T-Zellantwort nach Impfungen zeigen als Gesunde“, sagt die Erstautorin der Studie, die Biologin und Medizinerin Dr. Dr. Theresa Graalmann, Forscherin am Institut für Experimentelle Infektionsforschung am TWINCORE und Assistenzärztin an der Klinik für Rheumatologie und Immunologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).

Prof. Ulrich Kalinke, Direktor des Instituts für Experimentelle Infektionsforschung am TWINCORE bestätigt diese Erkenntnis. “Die gleiche Beobachtung konnten wir auch im Mausversuch bestätigen, es handelt sich also um einen speziesübergreifenden Mechanismus. Dieses Projekt ist ein schönes Beispiel dafür, wie sich klinische Studien mit Mausexperimenten ergänzen lassen, um wichtige Schlüsse für die Patientinnen und Patienten zu ziehen.“

mRNA- oder Vektor-Impfstoff

Die Reaktion des Körpers, ob er als Antwort auf den Erreger den Botenstoff Typ 1-Interferon (IFN-I) bildet, ist ausschlaggebend dafür, inwieweit verschiedene Immunzelltypen miteinander kommunizieren können. Bildet der Körper IFN-I, sind B-Zellen für T-Zellantworten nötig. Ohne IFN-I brauchen die T-Zellen keine B-Zellen und können auch alleine die Immunantwort leisten. “Bei Impfungen ist das genauso“, sagt Graalmann. “Je nach Wirkprinzip funktionieren die T-Zellen entweder mit oder ohne IFN-I.“ Ein gewisser Impfschutz wird auch durch die T-Zellantwort alleine erzeugt.

Rituximab ist eines der Medikamente, mit bei Autoimmunerkrankungen häufig die Bildung von B-Zellen verhindert wird. Es wirkt über einen Zeitraum von rund sechs Monaten, dann beginnt der Körper wieder, B-Zellen zu bilden. “Normalerweise kann man die Patienten impfen, bevor sie die nächste Dosis Rituximab bekommen“, sagt Prof. Torsten Witte aus der Klinik für Rheumatologie und Immunologie der MHH. “Mit der COVID-19-Impfung ein halbes Jahr zu warten, könnte für diese Menschen allerdings lebensgefährlich sein. Sie sind besonders gefährdet, im Fall einer Coronavirusinfektion schwere Krankheitsverläufe zu entwickeln.“

Laut Graalmann kämen für diese Menschen die mRNA-Wirkstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna allerdings nicht infrage. “Die mRNA-Impfstoffe induzieren IFN-I, somit ist davon auszugehen, dass die T-Zellantwort ohne vorhandene B-Zellen entsprechend ausbleibt. Bei den vektorbasierten Impfstoffen wird kein Interferon gebildet“, sagt er. Es könne ein gewisser Impfschutz aufgebaut werden, da es zu einer T-Zellantwort käme. “Aus unseren Daten können wir also die Empfehlung ableiten, dass mit Rituximab behandelte Patienten besser mit einem Vektorimpfstoff immunisiert werden sollten, um auch ohne B-Zellen zu einem gewissen Impferfolg zu kommen“, sagt Graalmann. Ob dieses Konzept auch wirklich funktioniert, müssen die Forscher als nächstes noch in klinischen Tests untersuchen.

Die Studie wurde im Journal Annals of the Rheumatic Diseases veröffentlicht.

Titelbild: Dr. Dr. Theresa Graalmann ist Erstautorin der Studie. J. Grabowski © TWINCORE

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