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Die Wurzeln von Pflanzen wachsen entweder flach oder tief in den Boden. Über die Wuchsrichtung entscheiden zwei Pflanzenhormone: Auxin und Cytokinin. Das fand ein internationales Forscherteam heraus. Diese Erkenntnis könnte einen ressourcenschonenderen Pflanzenanbau in zunehmend langanhaltenden Hitzewellen ermöglichen.

Die globale Erwärmung wirkt sich auch auf den Boden aus. Langanhaltende Hitzewellen ziehen die Feuchte aus dem Boden und aus der Vegetation. Allgemein wird damit gerechnet, dass in Europa die Winter immer wärmer und feuchter und die Sommer heißer und trockener werden. Das gefährdet den Anbau von Pflanzen und damit unser Klima und unsere Nahrungssicherheit. Pflanzen liefern uns Nahrung, sind wichtige Sauerstofflieferanten und überlebenswichtig für uns Menschen. Der immer intensiver werdende Hitze- und Trockenstress, dem unsere Nutzpflanzen ausgesetzt sind, beschäftigt die Forschung.

Schon Charles Darwin (1809-1882) erforschte das Pflanzenwachstum. Davon zeugt das Buch The Power of Movement in Plants, das er gemeinsam mit seinem Sohn Francis verfasste. Einer ihrer Befunde war, dass der Spross nach oben und die Wurzel nach unten wächst. Ein Phänomen, das in der Wissenschaft unter dem Begriff Orthogravitropismus bekannt ist. Die Darwins erwähnten auch, dass der mobile Botenstoff Auxin das Wachstum regulieren kann.

Ein internationales Forscherteam um den Zellbiologen Professor Jürgen Kleine-Vehn von der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) fand jetzt heraus, dass es zwei Pflanzenhormone sind, die interagieren, um die Wuchsrichtung von Wurzeln zu bestimmen: Auxin und Cytokinin. Auxin ist für das Wachstum in die Bodentiefe verantwortlich, Cytokinin für eine horizontale Ausbreitung.

Auxin und Cytokinin

Es sind einige wenige Wurzelhauben-Zellen, die sich in der Spitze der Wurzel befinden und entscheiden, wie viel vom Botenstoff Auxin in die untere Wurzelflanke entsandt wird. Diese Wurzelhauben-Zellen verfügen über gravitropische Sensoren (Statolithen), welche ihnen die Orientierung der Wurzelspitze anzeigt. Entsenden die Wurzelhauben-Zellen viel Auxin in die untere Wurzelflanke, so führt dies zu einer Verminderung des Wachstums auf dieser Seite. Gleichzeitig löst diese ein nach unten gerichtetes Wachstum in der Hauptwurzel aus.

An der oberen Wurzelflanke in der Seitenwurzel wird das Pflanzenhormon Cytokinin aktiv. Es führt dazu, dass die seitliche Wurzel verstärkt flach auswächst. Die Verteilung von Cytokinin ist spezifisch für die Seitenwurzeln und verleiht diesen die Eigenschaft der horizontalen Ausbreitung. Die Forschenden konnten also zeigen, dass sich die zwei Pflanzenhormone in Seitenwurzeln gegenseitig aufheben.

Beeinflussung von Wurzelsystemen

Die Forschenden vermuten, dass das Wurzelsystem über diesen Mechanismus stark beeinflussbar sein könnte. So wäre es zum Beispiel möglich, Nutzpflanzen darauf zu trimmen, dass sie ihre Wurzeln tiefer in den Boden wachsen lassen. Auf diese Weise könnten diese in einen wasserreicheren Grund eindringen und damit ihre Umgebung besser nutzen.

In vielen Regionen ist die direkte Bodenoberfläche großteils zu trocken für den Anbau bestimmter Pflanzen. Die derzeit einzige mögliche Maßnahme ist aufwändige Bewässerung. Aufwändig, weil dies mit einer ständigen Verdunstung an der Oberfläche einhergeht.

Wissenschaftliche Erkenntnisse über Wurzelsysteme könnten aber auch helfen, die Konkurrenz unter Nutzpflanzen im Boden weltweit zu verringern: Wurzelsysteme, die vorwiegend in die Tiefe wachsen, kommen weniger mit den Nachbarn in Berührung. Damit könnte der Abstand bestimmter Nutzpflanzen verringert werden und der Flächenertrag gesteigert.

 

Publikation:

Dinneny, J.R./Dünser, K./Kleine-Veh, J./LaRue, T./Lindner, H./ Martopawiro, S./Novak, O./Petřík, I./Ruiz Rosquete, M./Sarkel, E./Sasidharan, R./Schöller, M./Wabnik, K./ Waidmann, S. (2019): Cytokinin functions as an asymmetric and anti-gravitropic signal in lateral roots. In: Nature Communications 10, Article 3540.

 

Entstehung des Wurzelgravitropismus

Fast zeitgleich veröffentlichten Forschende am Institute of Technology (IST Austria) einen Artikel zur Evolution von schwerkraft-orientiertem Wurzelwachstum von Pflanzen. Yuzhou Zhang, Postdoc in der Gruppe von Professor Jiří Friml, und seinem Team, gelang es erstmals einen Einblick in die Entstehung des Wurzelgravitropismus zu erlangen. Die Eigenschaft von Pflanzenwurzeln, nach unten zu wachsen, entwickelte sich mit der Ausbreitung von Pflanzen vom Wasser auf das Land vor ungefähr 500 Millionen Jahren. Um in der neuen Umgebung eine Lebensgrundlage zu finden, mussten sie sich fest im Boden verankern, um an ausreichend Wasser und Nährstoffe zu gelangen. Dabei zeigte sich unter anderem, dass erst Samenpflanzen die erstmals vor rund 350 Millionen Jahren auftraten, ein schnelles und damit effizientes Wurzelwachstum in Richtung der Schwerkraft entwickelten.

 

Publikation:

Yuzhou Zhang, Guanghui Xiao, Xiaojuan Wang, Xixi Zhang & Jiří Friml (2019): Evolution of fast root gravitropism in seed plants. Nature Communications.

 

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