Erdgasspeicher von RAG Austria (c) RAG Austria - Christian Husar
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An der Montanuniversität Leoben verfolgen Forscher einen zweigleisigen Ansatz in der Herstellung von Wasserstoff: Erdgas wird in Wasserstoff und Karbon zerlegt – emissionsfrei. Die österreichische Universität hat eine lange Tradition im Metallwesen. Mit der Gewinnung von Karbon macht sie einen knappen Werkstoff verfügbar, der revolutionäre nachhaltige Technologien in Landwirtschaft,  Bauindustrie und High-Tech ermöglicht.

Grundlage für den zweigleisigen Zugang zur Wasserstoffproduktion ist die Anwendung von verschiedenen Pyrolyse-Verfahren, die an der Montanuniversität entwickelt wurden. Dabei arbeiten die Forscher mit einem hochtemperierten Bad aus flüssigen Metallen, die eine Art Katalysatorwirkung haben. Da bei dem Verfahren fester Kohlenstoff (Karbon) als Nebenprodukt erzeugt wird, ist der produzierte Wasserstoff emissionsfrei (CO2-frei).

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Professor Dr. Peter Moser, der das Projekt im Rahmen des Resources Innovation Center (RIC) Leoben koordiniert, geht von einem deutlich erhöhten Bedarf an emissionsfreiem Wasserstoff in den nächsten Jahrzehnten aus. Er sieht die Pyrolyse als Übergangslösung bis zum Vollausbau der erneuerbaren Stromerzeugung und will sie gemeinsam mit österreichischen Industriepartnern auf einen industriellen Maßstab bringen.  

„Unsere Technologie soll ab spätestens 2030 einsetzbar sein und den CO2-Output um etwa ein Viertel reduzieren. So kann die Zeit bis 2050 überbrückt werden. Bis  dahin wird es dann schon neue Technologien für erneuerbare Energien geben.“ Professor Dr. Peter Moser

CO2-Rucksack

Das älteste Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff ist die Wasserdampf-Reformierung, bei der man Erdgas (CH4) mehrstufig mit heißem Wasser reagieren lässt. Reaktionsprodukte sind Wasserstoff und Kohlendioxid (CO2). Problematisch an dem Verfahren ist die Entstehung von umweltschädlichen CO2-Emissionen.

Eine weitere Technologie, mit der Wasserstoff gewonnen wird, ist die Elektrolyse, bei der man Strom mit Wasser aufspaltet. Die Elektrolyse ist einfach und umweltfreundlich und funktioniert nur mit Strom aus erneuerbaren Energien, wie etwa Windrädern oder Photovoltaik. Allerdings ist der Stromverbrauch hoch und erneuerbare Energien stehen bis dato nur eingeschränkt zur Verfügung, erklärt Moser. „Bei der Wasserstoffgewinnung in Form von Elektrolyse braucht es 180.000 Kilojoule Energie pro Kilogramm Wasserstoff. Hingegen braucht es bei der Aufspaltung von Erdgas nur 45.000 Kilojoule Energie pro Kilogramm Wasserstoff. Unser Verfahren ist also energetisch viermal so effizient wie die Elektrolyse. Das wirkt sich entsprechend auf den CO2-Fußabdruck aus“.

„Alles was wir tun, hat einen CO2-Rucksack. Ein wasserstoffbetriebenes Auto fährt zwar mit geringem, direktem CO2-Ausstoß, aber sowohl die Herstellung des Autos als auch die des Wasserstoffs verursachen einen CO2 Ausstoß – selbst wenn der Wasserstoff aus der Elektrolyse kommt.“ Professor Dr. Peter Moser

Lebenszyklus-Analyse

Parallel zur Skalierung der Pyrolyse werden die Partner im Kooperationsprojekt auch eine Lebenszyklusanalyse durchführen: vom Bohrloch für die Erdgasgewinnung über den Transport des Erdgases in Pipelines bis hin zur Pyrolyse und letztendlich der Übergabe des Wasserstoffs an einen Verbraucher. Damit wollen sie die Wirkung des CO2-Fußabdrucks transparent machen und mit der Wirkung der anderen Herstellungsvarianten vergleichbar. 

Erste Abschätzungen zeigen, dass der Wasserstoff aus Pyrolyse nur mit etwa fünf Kilogramm CO2 pro Kilogramm belastet ist, jener aus der Elektrolyse mit gegenwärtigem Strommix in Europa jedoch mit 30 Kilogramm CO2 pro kg Wasserstoff. Moser: „Wenn eines Tages ausreichend erneuerbare Stromquellen zur Verfügung stehen, dann werden der Wasserstoff aus der Elektrolyse und jener aus der Pyrolyse in etwa den gleichen CO2 Fußabdruck haben. Wir sehen unsere Pyrolyse daher als komplementäre Technologie, die der Industrie die benötigten großen Mengen an Wasserstoff zur Verfügung stellen kann.“

Pyrolyse

Die Pyrolyse ist schon lange bekannt und erforscht, wurde aber bisher noch nicht so weit vorangetrieben, dass sie industriell nutzbar wäre. Weitere auf Pyrolyse basierende Forschungsprojekte zur Wasserstoffgewinnung laufen in Deutschland und in den Niederlanden. Die zweigleisige Herstellung von Karbon und Wasserstoff sei bisweilen aber noch kaum untersucht, erklärt Moser. Der Wasserstoff entsteht emissionsfrei und Karbon ist ein wertvoller Rohstoff. Die geringen Mengen, die derzeit verfügbar sind, stammen aus Graphitlagerstätten und aus der Verarbeitung von Kunststoffen und anderen Industrieprozessen.

„Wenn wir Erdgas in der Pyrolyse aufspalten, entstehen ein Teil Wasserstoff und drei Teile Kohlenstoff. Wenn wir nur auf Wasserstoff abzielen würden, wie andere Konsortien, dann wäre das ein Nachteil. Für uns ist es aber ein Vorteil, weil wir auf die Produktion von Karbon konzentriert sind.“ Professor Dr. Peter Moser

In dem Pyrolyse-Verfahren arbeiten die Forscher von der Montanuniversität mit einem großen Gefäß, das mit hochtemperiertem, flüssigem Metall gefüllt ist. Sobald sie Erdgas durchleiten, zerfällt dieses in Karbon und Wasserstoff – in hochreiner Form. Momentan besteht diese Metallflüssigkeit aus Nickel und Kupfer. In Zukunft wollen sie Gallium einsetzen, um die Temperatur reduzieren zu können. Moser: „Das wirkt sich positiv auf die Ökobilanz aus.”

Übergangslösung

Makel des Verfahrens ist die Tatsache, dass es auf Erdgas basiert, einer nicht erneuerbaren Quelle. Moser ist sich dessen bewusst und argumentiert mit den Vorräten an Erdgas, die selbst bei gesteigerter Nutzung noch an die 300  Jahre reichen würden. Die Gewinnung von Wasserstoff und Karbon aus Erdgas sei zudem mit sehr geringer Umweltwirkung machbar. Weiters spreche für Erdgas, dass bestehende Pipelines nutzbar sind. Man muss kein neues Versorgungsnetzwerk aufbauen, um Erdgas an die lokalen Energieunternehmen und weiter zu den Verbrauchern zu leiten. Die Pyrolyse-Anlagen, die das Erdgas in Wasserstoff umwandeln, sollen bei den Energieunternehmen installiert werden, wobei die Investition überschaubar bleibe. Die Anlagen seien sowohl von der Dimension als auch von den Kosten klein, so Moser.

Ein starkes Argument sieht er auch in der Zweigleisigkeit der Methode, die den Prozess emissionsfrei macht und parallel dazu Karbon hervorbringt. Moser: „Karbon ist ein sehr stabiler Stoff, der nicht wieder in Kohlenstoff oxidiert und kann dadurch für nachhaltige Methoden in Bauindustrie und Landwirtschaft angewendet werden.“ Kooperationen mit der Universität für Bodenkultur in Wien laufen bereits.

Industriemaßstab

Gemeinsam mit Forschungspartnern aus der Industrie sollen nun über eine Pilotanlage Informationen für das Design des Pyrolyseverfahrens im industriellen Maßstab gesammelt werden. Außerdem soll getestet werden, welche Metalle im Hinblick auf die Gewinnung von Karbon und Wasserstoff zum Einsatz kommen können. Neben der Skalierbarkeit des Prozesses geht es um technisch, wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Verwertungsoptionen für Karbon. Eine Lebenszyklus-Analyse soll sowohl für die Methanpyrolyse als auch für die Nutzungsoptionen für Karbon erfolgen.

Projektleiter im Forschungsbereich ist Robert Obenaus-Emler. Industrie- und Projektkoordinator ist RAG Austria, das größte Gasspeicher- und Energiesparunternehmen Österreichs. Die Industriepartner:

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