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Die Gründe, wieso Menschen im Alter Alzheimer-Demenz bekommen, sind trotz jahrelanger und intensiver Forschung noch immer zu  größten Teil unbekannt. Ärzte vermuten, dass eine Kombination aus Lebensstil, äußeren Faktoren und genetischen Risiken als Ursachen infrage kommen. Der größte genetische Risikofaktor geht auf erbliche Mutationen zurück, die das Gen für „Apolipoprotein E“ (ApoE) betreffen, einen Eiweißstoff, der für den Fettstoffwechsel und Nervenzellen wichtig ist. Von diesem ApoE-Gen sind drei Varianten bekannt. Die häufigste Form steht laut Aussagen von Wissenschaftlern für ein durchschnittliches Alzheimer-Risiko. Eine der beiden selteneren Varianten für ein erhöhtes, die andere für ein verringertes Risiko.

Forscher des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und der Ruhr-Universität Bochum haben in einer Studie an 82 jungen Erwachsenen gezeigt, inwieweit das Gen schon in jungen das Gedächtnis beeinflusst. „Uns hat interessiert, ob und wie sich die verschiedenen Genvarianten auf die Hirnfunktion auswirken. Deshalb haben wir die Gehirne junger Erwachsener im Hirnscanner untersucht, während sie eine Aufgabe lösen mussten, die ihr Gedächtnis herausforderte“, erläutert Dr. Hweeling Lee, die die aktuelle Studie am DZNE in Bonn leitete.

Ähnliche Geschehnisse unterscheiden

Die 82 Männer und Frauen waren alle etwa 20 Jahre alt, studierten und galten als kognitiv gesund. „Gemäß ihrer Erbanlagen für ApoE hatten 33 Teilnehmende ein durchschnittliches, 34 ein erhöhtes und 15 ein verringertes Risiko, im späten Alter an Alzheimer zu erkranken“, schreiben die Forscher im Wissenschaftsjournal „Current Biology“. Im Rahmen der Studie wurde untersucht, wie die Gehirne der Probanden bestimmte Gedächtnisaufgaben verarbeiten.

Dazu wurden sie an einen Hirnscanner angeschlossen, während ihnen über einen Monitor nacheinander mehr als 150 verschiedene Abbildungen vorgespielt wurden wie beispielweise ein Hammer, eine Ananas oder eine Katze. Einige Bilder wurden nach einer Weile wiederholt, die Objekte waren jedoch manchmal an einer anderen Position auf dem Bildschirm. Die Aufgabe der Studienteilnehmenden bestand nun darin, zu erkennen, ob ein Objekt „neu“ oder zuvor bereits gezeigt worden war. Außerdem sollten sie erkennen, ob sich die Position verändert hatte, falls sie der Meinung waren, dass das Objekt bereits früher gezeigt worden war.

„Wir haben die Fähigkeit getestet, ähnliche Geschehnisse voneinander zu unterscheiden. Das nennt man Muster-Trennung“, sagt Hweeling Lee. „Im Alltag geht es beispielsweise darum, sich daran zu erinnern, ob man einen Schlüssel in der linken oder der rechten Schublade einer Kommode abgelegt hat oder auf welchem Platz innerhalb eines Parkhauses das Auto abgestellt wurde. Solche Situationen haben wir in vereinfachter Weise nachgestellt, indem wir die Position der abgebildeten Gegenstände verändert haben.“

Gleichzeitig wurde mit einem „Ultra-Hochfeld-Tomografen“ mit einer Magnetfeldstärke von sieben Tesla  
die Hirnaktivität der Probanden gemessen. Im Mittelpunkt stand hierbei der Hippocampus, ein nur wenige Kubikzentimeter großes Areal, das in jeder Gehirnhälfte einmal vorkommt und als Schaltzentrale des Gedächtnisses gilt. Bei einer Alzheimer-Erkrankung wird dieser Teil des Gehirns als erstes geschädigt. „Bislang gab es keine vergleichbaren Studien mit solcher Detailschärfe an Teilnehmern, die hinsichtlich ApoE genotypisiert waren. Das ist ein besonderes Merkmal unserer Studie“, so Hweeling Lee.

Keine Unterschiede in der Gedächtnisleistung, aber…

Bei diesen Messungen zeiget sich, dass es bei den drei Probandengruppen hinsichtlich der Fähigkeit zur Mustertrennung keine Unterschiede gab. „Alle Studienteilnehmer waren im Gedächtnistest ähnlich gut – unabhängig davon, ob sie ein erhöhtes, ein verringertes oder ein durchschnittliches Risiko für Alzheimer hatten. Bei jungen gesunden Menschen sind solche Ergebnisse durchaus zu erwarten“, so Nikolai Axmacher, Professor für Neuropsychologie an der Ruhr-Universität Bochum. Unterschiede habe es jedoch in der Hirnaktivität gegeben. „Die verschiedenen Probandengruppen aktivierten die diversen Unterbereiche des Hippocampus in unterschiedlicher Weise und unterschiedlich stark“, erklärt er. „Ihre Gehirne reagierten also unterschiedlich auf die Gedächtnisaufgabe. Tatsächlich haben wir Unterschiede in der Hirnaktivierung nicht nur zwischen Personen mit durchschnittlichem und erhöhtem Risiko beobachtet, sondern auch zwischen Personen mit durchschnittlichem und reduziertem Risiko.“

Inwieweit diese Effekte für die Entwicklung einer Alzheimer-Erkrankung im Alter von Bedeutung sind, können die Wissenschaftler aber noch nicht sagen. „Unsere Befunde könnten mit sehr frühen Krankheitsprozessen zusammenhängen. Dies zu klären, ist eine Aufgabe für künftige Studien und könnte dazu beitragen, Biomarker für die Früherkennung von Demenz zu entwickeln“, meint Hweeling Lee. „Bemerkenswert ist jedenfalls, dass sich eine genetische Veranlagung für Alzheimer schon im jungen Erwachsenenalter im Gehirn widerspiegelt.“